Berlin Beatet Bestes. Folge 322.

Der deutsche Lemmy

Berlin Beatet Bestes. Folge 322. Das Diana-Show-Quartett. Von andreas michalke

Hilfe, die Rocker sterben! Erst Lemmy und jetzt auch noch Achim Mentzel! Ja, lacht nicht, die beiden verbindet mehr, als es zunächst den Anschein hat. Machen wir mal die Rocker-Rechnung: Lemmy und Achim sind um 1945 geboren – waren also noch Kinder, als Elvis 1956 einschlug wie eine Bombe. Als der Rock ’n’ Roll sich um 1960 langsam wieder verflüchtigte, waren Lemmy und Achim erst in der Pubertät, hatten aber schon seine Wirkung gespürt: Sie hatten die Gitarre entdeckt. Während Lemmy irgendwo in der englischen Provinz rumdümpelte, machte Achim seine ersten Rock ’n’ Roll-Gehversuche in Ost-Berlin. Als die Beatles 1962 durchstarteten, waren Lemmy und Achim ausgewachsene Halbstarke und endlich bereit, selbst zu rocken. Achim gründete 1963 das Diana-Show-Quartett, Lemmy spielte bei den Rainmakers und der Motown Sect. Leider schafften es diese Gruppen nicht, Schallplatten aufzunehmen, und so lässt sich heute nur erahnen, wie sie klangen.
Das Diana-Show-Quartett trat zwar unermüdlich auf und konnte sich aufgrund seines Beat-Repertoires und der akrobatischen Show einen beachtlichen Fankreis erspielen, wurde dann aber 1966 vom in diesem Jahr durchgesetzten DDR-Beat-Verbot hart getroffen. Bezeichnenderweise ließ die DDR in den sechziger Jahren weniger Rock zu als Rumänien, Bulgarien oder Ungarn. Während hammerharter ungarischer Beat auf Vinyl gepresst werden konnte, erlaubte die ostdeutsche Diktatur selbst schlagerisierten Ersatzbeat nur tröpfchenweise. Lemmy stieg 1965 als Gitarrist bei den Rockin’ Vickers ein und konnte endlich Platten aufnehmen. Achim machte zwar weiter Musik mit dem Manfred-Lindenberg-Sextett und dem Alfred-Wonneberg-Sextett, aber die Bandnamen verraten schon: Es hatte sich ausgerockt.
Aber die Parallelen von Lemmy Kilmister und Achim Mentzel hören hier nicht auf. Zwar rockte Lemmy sich mit Hawkwind weiter durch die Siebziger, allerdings immer in zweiter Reihe. Erst mit 30 wurde er bei Motörhead Frontmann. Auch für Achim wurde mit 30 alles anders. 1975 gründete er zusammen mit seinem alten Beat-Kollegen von den Sputniks, Michael Fritzen, Fritzens Dampferband. Mit dieser Gruppe, die auch Nina Hagen begleitete, konnte er endlich Schallplattenaufnahmen machen und sein komödiantisches Talent weiter entwickeln. Lemmy und Achim waren ja beide nicht direkt attraktive Typen, glänzten aber als Performer. Als letzter Mohikaner zog Lemmy das Rocker-Ding dann durch bis zum Schluss.
Auch Achim ist Frontmann geblieben. Er wusste, dass er als Rocker keine Chance hatte und auch im Westen wahrscheinlich nicht gehabt hätte. Letztlich konsequent, wollte er einfach weiter unterhalten und vorne sein. Unter allen Umständen, notfalls auch mit Hilfe der volkstümlichen Musik. Die meisten geben viel früher auf und verkaufen mit 25 bereits Versicherungen. Ironisch, aber nicht ohne Stolz, ist das Album, das Achim Mentzel 2002 zusammen mit den Wildecker Herzbuben machte, betitelt: Forever Rock ’n’ Roll.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.