Homestory

Es gibt ein Thema, über das manche Kolleginnen und Kollegen höchst ungern sprechen. Manche betreiben sogar einen Kult der Geheimhaltung und verlassen den Raum, um telefonische Geburtstagsglückwünsche entgegenzunehmen. Ja, die Rede ist vom Alter. Unaufhaltsam schreitet es voran. Natürlich sehen wir alle viel jünger aus, als wir sind, unabhängig von den sehr unterschiedlichen Methoden, mit denen wir uns fit halten. Ob Bieryoga, Yoga ohne Bier, Bier ohne Yoga, Fitnessstudio, Radfahren oder Cannabis-Therapie – es wirkt. Sicher liegt es aber auch an der Arbeitsatmosphäre, die das sichtliche Altern offenbar weniger fördert als ein Job im Weißen Haus. »Wenn ich mit Leuten wie diesem Ted Cruz zu tun hätte, sähe ich wahrscheinlich aus wie Christian Ströbele«, meint der Auslandsredakteur, der etwa so alt ist wie der vor Gram ergraute Barack Obama. Weniger milde urteilt er über die Facebook-Werbung, die ihm bereits ein Beerdigungsinstitut empfiehlt. »Die können sich ihre Algorithmen in den … « Er gehört zu denen, die ihren Geburtstag geheimhalten, aber auch bei der Jungle World gibt es respektlose Whistleblower. Ohnehin kommt die Wahrheit heraus, wenn über Fernsehserien früherer Zeiten und andere prägende Jugenderlebnisse diskutiert wird. Wohl dem, dem durch die Gnade der früheren oder späteren Geburt Gudrun Pausewang erspart blieb, die eine ganze Generation traumatisierte. Und nein, die Serie »Immer wenn er Pillen nahm« spielt nicht im Bundestag, wie Unwissende der Generation MacGyver glauben könnten. Mitte 50 soll ja das beste Alter sein, um mit Crystal Meth anzufangen, sagen ­einige Eingeweihte (nicht aus unserer Redaktion, das stand in der Zeitung). Aber es gibt ja diese Vorher-Nachher-Bilder, da scheint auch Bieryoga nicht mehr zu helfen. Und seien wir ehrlich: Die Kondition bei Ausschweifungen und Gelagen lässt nach rund 40 Jahren Praxis ein wenig nach. In früheren Zeiten haben die Menschen dann dem Laster entsagt und sich dem Glauben zugewandt. Heute entsagen sie dem Anstand und dem Verstand. Aber so muss es nicht enden. Zwar droht ein Rückfall in die Pubertät, in zweite Flegeljahre, in denen man »Wir sind das Volk« brüllt oder Vergleiche der Penislänge anstellt, um Amerika wieder groß zu machen. Doch man kann auch zivilisiert altern, sogar im Weißen Haus. Und erst recht in der Jungle World. Ersuchen die jungen Leute auch nicht unbedingt um Rat, so kann man ihn doch ungefragt erteilen und nach fünf Bier (außerhalb der Arbeitszeit natürlich) Geschichten aus den früheren glorreichen Zeiten der militanten Linken erzählen, wobei man den antiimperialistischen Unfug, den man damals vertreten hat, dezent verschweigt. Der Verdienst bleibt zwar deutlich hinter dem derzeitigen Gehalt und den zukünftigen Redehonoraren Obamas zurück, aber dafür hat man es nicht mit Leuten wie Ted Cruz zu tun, und anders als im Weißen Haus gibt es hier sogar einen Raucherraum.