Tief enttäuscht

Wahrscheinlich zitterten ihnen die Hände vor lauter Vorfreude, als die­jenigen am Montag aufstanden, denen Wunderdinge versprochen worden waren, wenn sie nur die AfD wählten: Merkel auf der Flucht nach Südamerika, der Bundestag von Bürgerwehren umstellt und schließlich eingenommen, Zeitungsredaktionen besetzt, Polizei und Bundeswehr zum Volkssturm übergelaufen, und natürlich alle Ausländer und Flüchtlinge auf der Stelle aus Deutschland verschwunden. Vermutlich waren sie am Wahlsonntag etwas später als gewöhnlich schlafen gegangen, war ja auch ein aufregender Tag gewesen (vor allem für diejenigen, die feststellen mussten, dass in ihrem Bundesland gar nicht gewählt wurde und die Enttäuschung darüber auf Facebook verbreitet hatten). Bis nach Mitternacht hatten sie auf Live-Bilder vom Kanzleramt gewartet, wo ganz sicher ein Hubschrauber mit laufendem Motor stand und wartete, bis die Kanzlerin endlich das Nötigste zusammengepackt hatte – aber dann war klargeworden, dass die Lügenpresse bis zuletzt das Volk betrügen und die Wahrheit vermutlich erst am nächsten Morgen verbreitet würde, wenn die große Revolution alle Volksbetrüger restlos hinweggefegt hatte. Ein bisschen irritierend war nur gewesen, dass gar nicht 95 Prozent AfD gewählt hatten, sondern die meisten die großen Systemparteien, plus die FDP, und damit das Volk gar nicht so geschlossen – aber egal, das würde sich ja am Montagmorgen noch herausstellen, ob da nicht massiver Wahlbetrug im Spiel war. Und dann das. Keine Livesendung von der großen Revolution, stattdessen eine relativ gefasste Kanzlerin (immer noch im Amt!) und viele Pressekonferenzen, in denen die zu Wort kamen, denen man genau das, also das Wort, eigentlich abzuschneiden angetreten war. Was für eine Enttäuschung.