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Frage: Wer sagte kürzlich gegenüber Jungle World »Tabubruch ist ja eher so 2002«? War es a) Benjamin von Stuckrad-Barre, b) Bundesjustizminister Heiko Maas oder c) Dieter Bohlen? Kommen Sie drauf? Der Gesuchte sagte auch: »Mich würde es langweilen, ständig Tabus brechen zu müssen.« Außerdem bekannte er: »Politik ist nicht so mein Ding. Dafür habe ich entweder nicht die Geduld oder nicht den Intellekt. Vermutlich beides nicht.« Also, wer ist der Mann, der keine Tabus brechen mag und um die Politik einen weiten Bogen macht? Richtig, es ist d) Jan Böhmermann! Jetzt steht er im Zentrum einer sich zur Staatsaffäre ausweitenden Debatte.
Böhmermann hatte in seiner Sendung ein Erdoğan-Gedicht vorgetragen, eines, das unter die Gürtellinie zielt, und zwar als polemische Reaktion auf die Drohung des türkischen Präsidenten, gegen eine völlig harmlose NDR-Satire (»Erdowie, Erdowo, Erdoğan«) vorzugehen. Aber ist das Gedicht Böhmermanns eher billig oder eine geniale Maximalprovokation? Erdoğan jedenfalls bezichtigt den Satiriker mittlerweile eines »Verbrechens gegen die Menschheit« und will ihn vor Gericht sehen. Alles gute Gründe, mal bei den Kollegen und Kolleginnen nachzufragen: Ist hier jemand Böhmermann? »Wir waren Charlie, jetzt sind wir Böhmermann«, sagt eine Kollegin. Im Verlag gibt es aber derzeit keine Pläne, »Je suis Böhmermann«-Shirts zu bestellen. Die Verlagskollegin findet das Schmähgedicht sogar »mega-schwach«. »Kontext beachten!« fordert dagegen ein Inlandsredakteur und meint: »Die Bundesregierung hat sich in der Kaczynski-Affäre der Taz deutlich souveräner verhalten, sich nämlich mit Hinweis auf die Pressefreiheit rausgehalten.« »Keine falsche Zurückhaltung!« verlangt ein zweiter Inlandskollege, und zwar von den Satirikern. »Besser Witze über Erdoğans Schwanz als gefällige Späße.« Die meisten Kollegen kennen Böhmermanns Gedicht allerdings nur auszugsweise; anders der Praktikant, der den Vortrag samt Vorrede (»Achtung, Schmähkritik!«) live im »Neo Magazin Royale« gesehen und dabei ziemlich gelacht hat über die böse Hommage des Recep Tayyip Böhmermann.
Aber, klar, muss man an dieser Stelle auch kritisch anmerken: Kein Tabubruch geht irgendwie anders.