Das Fehlen der Religionskritik bei der AfD

Rassismus statt Religionskritik

Vor ihrem Bundesparteitag hat die AfD einen Programmentwurf veröffentlicht, in dem Islamkritik ein hoher Stellenwert zukommt. Die Partei betreibt jedoch keine Religionskritik, sondern die rassistische Verteidigung ihres Deutschtums.

Der stellvertretende Vorsitzende der »Alternative für Deutschland« (AfD), Alexander Gauland, sagte unlängst der Zeit, er wolle nicht »in einer muslimischen Gesellschaft leben«, denn »dafür haben wir schließlich 1683 die Türken vor Wien aufgehalten«. Gaulands historisch überhöhte Klage war ein schillerndes Beispiel für den Versuch der AfD, sich als »Anti-Islam-Partei« zu profilieren. Die Stichworte hierfür liefert die christliche Lebensschützerin und stellvertretende Vorsitzende der Partei, Beatrix von Storch. Bekanntlich liegt der Europaabgeordneten der AfD der Schutz des geborenen Lebens nicht unbedingt am Herzen. Die christliche Tugend der Nächstenliebe wird bei ihr im Wortsinne interpretiert – als Liebe zum eigenen Volk. Die Unterstützung muslimischer Flüchtlinge wird hingegen als »Fernstenliebe« geschmäht.
Dabei könnte die AfD gerade erzkonservative Muslime eigentlich als Stammwähler umwerben. Denn Gender Mainstreaming und gleichgeschlechtliche Ehe haben die führenden Islamverbände ebenso wenig im Programm wie die rechte Partei. Doch die Warnung vor der Islamisierung trifft den Nerv der Bevölkerung. Zwar hindert kein Freitagsgebet in einer Moschee einen Katholiken am Besuch des sonntäglichen Hochamtes. Aber der Islam gilt der AfD nicht als Weltreligion, sondern als politische Ideologie. Der muslimische Glaube ist für die Partei kein Gegenstand der Theologie, sondern ein Fall für den Verfassungsschutz. Die AfD fördert den Generalverdacht gegen alle Muslime in Deutschland. Würde die AfD hingegen eine Kritik der Religion formulieren, müsste sie auch den katholischen Klerus wegen des Verstoßes gegen das Grundgesetz angreifen. Aber auf diesen Einwand wird die Öffentlichkeit ebenso lange warten wie auf die Ernennung einer Gleichstellungsbeauftragten bei der Deutschen Bischofskonferenz. Dass Glaubensbekenntnisse und Grundgesetz kollidieren, gehört zu den Grundlagen einer vermeintlich säkularen Republik, die nicht nur durch das Staatskirchenrecht religiöse Sonderpositionen schützt.
Seit Jahren ist der Islam in Deutschland keine Hinterhofreligion mehr. Den islamischen Verbänden wurde die Schaffung von Lehrstühlen für islamische Theologie oder die Förderung von Religionsunterricht gestattet. Die Vertreter der Islamverbände nehmen ebenso an Talkshowdebatten teil wie Politiker der AfD. Hier liegt der Grund für die Feindbestimmung der AfD, die ihre Leitkultur bedroht sieht. Moscheen sind Ausdruck einer kulturellen Veränderung, die nicht nach dem Geschmack des konservativen Bürgertums und traditionalistischer Arbeitermilieus ist. Die Forderung nach Verschärfung des Asylrechts offenbart hingegen die eigentliche politische Stoßrichtung der Partei. Die angeblich islamkritische AfD richtet sich damit nämlich gegen die Opfer der Islamisten, nicht gegen den politischen Islam. Die AfD ist jedoch keine reine Partei deutscher Christen. In den neuen Bundesländern ist eine Vielzahl ihrer Abgeordneten konfessionslos. Die verbindende Klammer zwischen den säkularen Wutbürgern und religiösen Fundamentalisten in der AfD ist die Verteidigung eines bedroht gewähnten Deutschtums, zu dem auch die »abendländische« Religion gehört. In westlichen Großstädten aber sind beispielsweise bei den Sankt-Martins-Zügen der katholischen Kindergärten zahlreiche muslimische Kopftuchträgerinnen präsent. Gegen diese vermeintliche Islamisierung des städtischen Alltags richtet sich die AfD. Die Partei propagiert einen Kulturkampf. Religionskritik aber wendet sich auch gegen das aus heiligen Schriften abgeleitete Zwangsbekenntnis zur Familie. Sie kämpft für individuelle Freiheit und gegen die Macht der Sippe. Religionskritik ist deshalb unvereinbar mit den Positionen der AfD, die diese patriarchalen Traditionen nicht nur durch ihr anachronistisches Leitbild der Drei-Kind-Familie wieder festigen will.