Diesem Fanzine kann man vertrauen

Trust. »Trau keinem über 30!« Das war das lange Zeit das einzige, auf das sich Punks und Hippies bei aller Feindschaft dann doch einigen konnten. Aber irgendwann werden ja alle mal älter, wenn auch nicht zwangsläufig erwachsen. Und wenn man bedenkt, dass John Lydon alias Johnny Rotten im Januar 60 Jahre geworden ist, klingt 30 doch noch recht jung. Für ein Fanzine allerdings sind 30 Jahre ein wirklich stolzes Alter. Von den noch existierenden Print-Fanzines im Bereich Hardcore und Punk ist Trust aus Bremen dieser Tage nach Maximum Rocknroll aus San Francisco überhaupt erst das zweite, das diese magische Grenze überschreitet. Viele Weggefährten von einst, Zap etwa, aber auch Plot und Blurr, haben längst das Zeitliche gesegnet. Aber Trust ist immer noch da. Beharrlich bringt die Crew um Dolf Hermannstädter jahrein, jahraus alle zwei Monate eine neue Ausgabe heraus. 177 sind es inzwischen. Dabei hat Trust nie versucht, ein Musikmagazin zu werden, sondern ist immer voll und ganz Fanzine geblieben. Noch immer ist alles schwarzweiß, und noch immer entscheidet einzig der Geschmack der Autoren und nicht die Marketingabteilung, welche Band interviewt wird und welche nicht. Begangen wird das runde Jubiläum, wie es sich gehört, mit einem Konzert. Am 11. Juni wird im Bremer Schlachthof gefeiert, es werden die Bands Pascow, Lucky Mallice und Decibelles auf der Bühne stehen. jt
Diese Luft ist weggeatmet
Kinoluft. Haben diese Wissenschaftler eine Rechnung mit der Kino-Lobby zu begleichen? Suchen sie nach einer Begründung für ihre Abneigung gegen Filme? Keineswegs. Reines Erkenntnisinteresse hat die Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz angetrieben – und zack wurde ein Kinosaal mit technischen Apparillos verwanzt, um den Zusammenhang von Atemluft und Stimmung im Kinosaal zu untersuchen. Was nach Vorstellungen von »Der Hobbit«, »Das erstaunliche Leben des Walter Mitty«, »Die Tribute von Panem« und 13 weiteren Filmen bewiesen wurde: Bei spannenden Szenen beschleunigt sich die Atmung der Zuschauer, die Werte für Kohlendioxid und Isopren steigen in der Abluft des Kinosaals. Ebenso eindeutig lassen sich etwa humorvolle oder langweilige Szenen mittels Luftmessung identifizieren. Gibt’s ja nicht! Was vor allem die um Emotionalität bemühte Werbeindustrie interessieren dürfte, lässt eine dringliche Frage aufkeimen: Wie zur Hölle soll man beim nächsten Kinobesuch nicht an seine Ausdünstungen denken? Von denen der anderen ganz zu schweigen. oko
Diese Sendung ist politisch
ESC. Hat Jan Böhmermann mit seinem 21jährigen Schildkrötensammler Robin, den er bei »Schwiegertochter gesucht« eingeschleust hat, den so kreuzblöden wie ahnungslosen Fernsehzuschauer über die finsteren Produktionsmethoden des Privatfernsehens aufgeklärt? Oder war der Coup sensationslüstern und megafies obendrein, nicht zuletzt, weil RTL sogleich personelle Konsequenzen zog? Ach, egal. Denn die richtig große Politik wird beim Eurovision Song Contest gemacht – ja, glaubt man russischen Abgeordneten wie dem Außenpolitiker Alexej Puschkow, habe sich der Wettbewerb gar in ein politisches Schlachtfeld verwandelt. Der Siegersong »1944« von Jamala, in dem die Ukrainerin die Deportation der Tataren von der Krim unter Stalin thematisiert, sei nicht als Beitrag zum europäischen Kulturdialog zu verstehen. Der Parlamentarier Konstantin Kossatschow beurteilt Jamalas Erfolg als »Sieg des Kalten Krieges« des Westens gegen Russland und der Senator Franz Klinzewitsch sagte gegenüber russischen Nachrichtenagenturen: »Es waren nicht die ukrainische Sängerin Jamala und ihr Lied ›1944‹, die den ESC 2016 gewonnen haben, es war ein Sieg der Politik über die Kunst.« oko