Wenn die Partei ruft

Leo Fischer klingt heute wie Gerhard Schröder.

Liebe Freundinnen und Freunde,

es steht nicht gut um die SPD, das wissen wir. Mein Ziehkind, der Sigmar, ist mir mittlerweile ein ganzes Stück über den Kopf gewachsen, und zwar in allen Dimensionen. Das SPD-Personal, das seit gefühlt tausend Jahren dasselbe ist, altert in unvorstellbarem Maß; eine Kindfrau wie die Nahles hat mittlerweile schon eine eigene Familie. Trotzdem traut sich niemand an den Vorsitzenden ran. Was Wunder, hat der Sigmar doch viele begabte Nachwuchsfunktio­näre erfolgreich weggebissen – zum Teil spurlos. Wenn Sigmar jetzt anbietet, einen Mitgliederentscheid über den Vorsitzenden zu gestatten, und dabei sogar einen völlig überrumpelten Olaf Scholz ins Gespräch bringt, dann ist das nicht nur der Versuch, in einer de facto mitgliederfreien SPD noch ein letztes Mal innerparteiliche Demokratie vorzutäuschen. Es handelt sich hierbei um ­einen ganz schäbigen Trick, wie ihn die Sozialdemokratie seit meinem Weggang nicht mehr nötig hat.
Nein, man sollte Scholz jetzt vor allem in Ruhe lassen – und ihn nicht mit zweifelhaften Gerüchten über seine mögliche Kampfkandidatur verunsichern. Der Mann hat Haare wie Espenlaub, jede noch so kleine Erschütterung zwingt ihn zurück in seinen schützenden Nagetierbau. Scholz will eben einfach nicht. Ebensowenig übrigens wie die Kraft, wie Steinmeier, wie Albig – und ehrlich, glaubt man wirklich, selbst Scholz wäre dumm genug, sich die Partei im jetzigen Zustand ans Bein zu binden? Mit einer Zwangskandidatur würde man den Mann doch nur weiter demütigen! Wir müssen schon dankbar sein, dass Steinbrück seinerzeit ein wertvolles Vierteljahr seines Ruhestands für uns geopfert hat.
Viel eher sollten wir mit den Grünen in einen offenen Wettbewerb treten, wer die Rolle des CDU-Sidekicks besser ausfüllen kann. Ich habe selbst mit Großen Koalitionen beste Erfahrung, habe jahrelang das Merkel-Bündnis toleriert, ohne einschreiten zu müssen; Merkel ist mir aus ihrer Zeit als Opposition noch ­gesichtsbekannt. Deswegen stehe ich nicht an zu sagen: Wenn die Partei mich ruft, dann komme ich zurück! Und ansonsten kann der Saftladen von mir aus gern hops gehen.
Herzlich
Ihr Gerhard Schröder