Homestory

Erstaunliche News machten vor einigen Jahren die Runde, die auch die Redakteure und Redakteurinnen Ihrer kleinen, aber feinen Lieblingszeitung nicht kalt ließen. In einem lateinamerikanischen Land, so hieß es, habe eine Revolution stattgefunden. Sie setze ein dem neuen Jahrtausend angemessenes Gesellschaftsmodell in die Welt: sozialistisch und partizipativ demokratisch, mit von Arbeitern selbstverwalteten Genossenschaften und Betrieben. Nur die Konterrevolution, angeführt vom schurkischen Yankee-Imperialismus, mache noch Probleme; doch demgegenüber erstarke ein internationales Bündnis zwischen der neuen Regierung des Landes, die sich um einen charismatischen Revolutionär schare, anderen Linksregierungen in Lateinamerika und »objektiv antiimperialistischen« Staaten anderswo – wie dem Iran beispielsweise.
Der Traum ist aus. Die Illusionen sind geplatzt. Dem pseudorevolutionären Spektakel ist die Luft ausgegangen. Der vorgebliche »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« des 2013 verstorbenen Caudillo Hugo Chávez und seines Nachfolgers Nicolas Maduro hat die Grätsche gemacht, not with a whimper but a bang. Aus dem von Ölexporten getriebenen Pseudo-Sozialismus wurde eine gesellschaftliche Katastrophe. Umfragen zufolge sagen rund 90 Prozent der 30 Millionen Einwohner des Landes, ihre Hauptsorge sei es, Nahrungsmittel aufzutreiben. Täglich kommt es zu Plünderungen. Zum Schutz von Geschäften werden Fallschirmjäger eingesetzt. In Teilen des Landes lynchen wütende Mobs kleine Diebe.
Der fallende Ölpreis, und die Destabilisierungsversuche der Imperialisten sei schuld, sagt die Regierung. Aber einige unangenehme Fragen bleiben offen: Warum kam es in anderen Ländern, die ebenfalls von der Ölrente abhängen, nicht ebenfalls zu einem solchen gesellschaftlichen Kollaps? Beispielsweise in Nigeria, einem Land im Bürgerkrieg mit Jihadisten, in dem niemand eine good governance, geschweige denn eine revolutionär-sozialistische Regierung vermutet? Wo sind die Milliarden und Abermilliarden aus den venezolanischen Ölexporten der vergangenen Jahre geblieben? Kann es sein, dass aus dem Partido Socialista Unido de Venezuela eine neue herrschende Klasse hervorging, die »bolivarianische Bourgeoisie«, die sich die Taschen vollstopft? Wie entstand aus dem »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« eine brutale Klassengesellschaft, die Transparency International zufolge zu den zehn korruptesten der Welt gehört?
Fragen über Fragen, um die sich die Apologeten des Chavismo herumdrücken. Aber sie sind von höchstem Interesse für alle, die auf eine gesellschaftliche Veränderung aus sind. Mehr dazu bei Gelegenheit in Ihrer kleinen, aber feinen Lieblingszeitung.