New Romantics

Sing Street. Dublin, Mitte der Achtziger: Armut, zerrüttete Familien, Ketterauchen am Frühstückstisch, alles grau und beengt. Und weil sich nur wenige eine gute Schule leisten können, findet sich Conor mit 15 Jahren in der katholischen Ordensschule wieder. Prügel vor dem Unterricht, währendessen und danach, strenge Kleiderordnung – das Leben wäre schrecklich, tauchte nicht plötzlich das schönste Mädchen der Stadt auf. Conor spricht sie an, einfach so. Ob sie im Musikvideo seiner Band – gesprochen Bannnnth – mitspielen wolle. Der Haken: Die Band gibt’s gar nicht, sie muss rasch gegründet werden. Aus Verpickelten, Muttersöhnchen mit Zahnschiefstand und babyspeckigen Mod-Möchtegerns, die in etwa so klingen und aussehen möchten wie ihre Vorbilder Duran Duran, Joy Division oder The Cure. Was dann geschieht? Proben im Wohnzimmer, viel Schminke, ausrastende Autoritätspersonen und der Punkt, an dem man sich die Zumutungen nicht mehr gefallen lassen kann. John Carney, eigentlich bekannt für mittelmäßige Musikfilme wie »Once« und »Can a Song Save Your Life?«, inszeniert ein Märchen über eine Lebensphase, in der die Welt noch übersichtlich genug ist, um sie mit ein paar Akkorden aus den Angeln zu heben. »Sing Street« ist fabelhaft lieblich, unironisch und hoffnungslos romantisch, so dass man für die Dauer des Films glaubt, Wünsche könnten wirklich in Erfüllung gehen – ein paar gute Texte und coole Klamotten vorausgesetzt. Guter Soundtrack auch! oko
Nicht einmal das
Bilderverbot. Die Lage in Saudi-Arabien spitzt sich zu. Das Memri TV (Middle East Media Research Institute TV Monitor Project) hat übersetzt, was dem Westler einen guten Monat vorenthalten wurde. Endlich zu verstehen sind die Einlassungen von Scheich Saleh al-Fawzan über das, was fast alle lieben: Cat-content. Als ein im Video nicht sichtbarer Moderator ihm von einem »Trend unter Leuten, die Fotos mit Katzen machen« berichtet, fährt der Religionshüter den harten Kurs: »Was heißt das, Bilder mit Katzen? Fotos zu machen ist verboten. Auf die Katzen kommt es doch nicht an.« Und: »Fotos zu machen, ist nicht erlaubt, nur in Ausnahmefällen. Aber weder mit Katzen, noch mit Hunden, noch mit Wölfen oder mit irgendetwas sonst!« Na gut. Aber was ist mit Eichhörnchen, wenn sie besonders süß sind? oko
Wer braucht schon ­Bücher
Wikipedia. Wie groß ist das Ungetüm Wikipedia eigentlich? Und wie sollte die Frage beantwortet werden? Schließlich breitet sich die Datensuppe unaufhörlich aus. Der US-amerikanische Künstler Michael Mandiberg ging der Frage auf den Grund – und jagte im vergangenen Jahr die englischsprachige Wikipedia durch den Drucker. 7 600 Bände entstanden dabei, eine Universität nahm sich der Bücher an. War ja auch alles schon digitalisiert, dachten die sich vielleicht. Vor diesem Hintergrund wirkt Mandibergs jüngste Ausstellung in Berlin etwas einfallslos. »Print Wikipedia: from Aachen to Zylinderdruckpresse« präsentiert Mandibergs Beschäftigung mit der deutschsprachigen Wikipedia. Und was hat der Künstler sich einfallen lassen? Erneut hat er gedruckt und gebunden, was das Zeug hält. Knapp zwei Millionen deutschsprachige Wikipedia-Artikel gibt es, die er in 3 406 Bänden zusammengefasst hat. Rund 100 dieser Bände wurden exemplarisch ausgedruckt, mit den restlichen Buchrücken wurden die Wände der Berliner Galerie Import Projects tapeziert. Monopol schreibt, der Künstler stelle die »deutschsprachige Wikipedia als begehbare Bibliothek dar«. Und das, bevor die Bibliothek wieder ins Internet abwandert, wo man jeden einzelnen Band von einem Print-on-demand-Service für jeweils 75 Euro erwerben kann. Nicht gerade günstig. Aber dafür hat man dann auch richtig schön alte Daten. oko