klingt diese Woche wie Frank-Walter Steinmeier

Tiefe Gräben, aber auch echte Chancen

Wir alle sind immer noch geschockt von den Bildern aus der Türkei. Verlassene Traumstrände, leere Restaurants, Flüchtlingsabwehrstationen ohne militärisches Personal – nein, das hat Europa nicht verdient. So sehr wir es als Exportnation natürlich begrüßen, wenn die hervorragende Verarbeitung deutscher Qualitätspanzer und -waffen öffentlich vorgeführt wird, so tragisch ist es, wenn es weitgehend ohne Aufsicht von Fachleuten geschieht. Um es ganz klar zu sagen: Dieser Militärputsch war nicht mit uns abgestimmt und hätte so niemals passieren dürfen. Nun ­hoffe ich zusammen mit allen noch eventuell vorhandenen türkisch-­demokratischen Parteien, dass die rechtsstaatliche Aufarbeitung schnellstens beginnt und alle notwendig werden sollenden Tötungen so grundgesetzkompatibel wie nur irgend möglich ablaufen. Dabei lehnen wir eine Einführung der Todesstrafe selbstverständlich ab – wenn hingegen aufgebrachten Demokraten auf der Bosporus-Brücke mal die Hand ausrutscht, dürfen wir natürlich auch nicht päpstlicher sein als der Papst. Freilich: Die tiefen Gräben in der türkischen Gesellschaft können nicht ­allein mit Putschisten gefüllt werden. Um das EU-Aufnahmeverfahren zu erhalten, muss Erdoğan jetzt eine bedingungslose Spaßgarantie für deutsche Urlauber abgeben. Auch die wirtschaftliche Entwicklung darf nicht vernachlässigt werden: 3 000 entlassene Richter müssen auch als Chance verstanden werden, hin zu einer Verschlankung des Staates. Hier können zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen, ebenso wie in der Hygiene- und Gebäudereinigungsindustrie, die im Rahmen der geplanten Säuberungsaktionen sicher einen Aufschwung erlebt. Für uns Deutsche ist aber letztlich die Flüchtlingsfrage maßgeblich: Wenn nun mehr Menschen aus der Türkei als aus Syrien zu uns fliehen, bringt das keinen von uns weiter. Wir empfehlen der türkischen Regierung, die Flüchtlingsvergrämung frühzeitig auch auf die ­eigene Bevölkerung auszurichten – und zum Beispiel die Sperranlagen gleich an die Westgrenzen zu verlegen.