Tiefe Gräben, aber auch echte Chancen
Wir alle sind immer noch geschockt von den Bildern aus der Türkei. Verlassene Traumstrände, leere Restaurants, Flüchtlingsabwehrstationen ohne militärisches Personal – nein, das hat Europa nicht verdient. So sehr wir es als Exportnation natürlich begrüßen, wenn die hervorragende Verarbeitung deutscher Qualitätspanzer und -waffen öffentlich vorgeführt wird, so tragisch ist es, wenn es weitgehend ohne Aufsicht von Fachleuten geschieht. Um es ganz klar zu sagen: Dieser Militärputsch war nicht mit uns abgestimmt und hätte so niemals passieren dürfen. Nun hoffe ich zusammen mit allen noch eventuell vorhandenen türkisch-demokratischen Parteien, dass die rechtsstaatliche Aufarbeitung schnellstens beginnt und alle notwendig werden sollenden Tötungen so grundgesetzkompatibel wie nur irgend möglich ablaufen. Dabei lehnen wir eine Einführung der Todesstrafe selbstverständlich ab – wenn hingegen aufgebrachten Demokraten auf der Bosporus-Brücke mal die Hand ausrutscht, dürfen wir natürlich auch nicht päpstlicher sein als der Papst. Freilich: Die tiefen Gräben in der türkischen Gesellschaft können nicht allein mit Putschisten gefüllt werden. Um das EU-Aufnahmeverfahren zu erhalten, muss Erdoğan jetzt eine bedingungslose Spaßgarantie für deutsche Urlauber abgeben. Auch die wirtschaftliche Entwicklung darf nicht vernachlässigt werden: 3 000 entlassene Richter müssen auch als Chance verstanden werden, hin zu einer Verschlankung des Staates. Hier können zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen, ebenso wie in der Hygiene- und Gebäudereinigungsindustrie, die im Rahmen der geplanten Säuberungsaktionen sicher einen Aufschwung erlebt. Für uns Deutsche ist aber letztlich die Flüchtlingsfrage maßgeblich: Wenn nun mehr Menschen aus der Türkei als aus Syrien zu uns fliehen, bringt das keinen von uns weiter. Wir empfehlen der türkischen Regierung, die Flüchtlingsvergrämung frühzeitig auch auf die eigene Bevölkerung auszurichten – und zum Beispiel die Sperranlagen gleich an die Westgrenzen zu verlegen.