Homestory

Wie in allen Büros wird in unseren viel gemeckert. Auch nachdem der Geschäftsführer mit dem ihm eigenen handwerklichen Geschick die Heizungen entlüftet hat, ist es manchen noch zu kalt. Dass im Stockwerk unter uns eine Renovierung mit zuweilen erheblicher Lärmentwicklung stattfindet, sorgt ebenfalls für gelegentlichen Unmut. Und dann die Computer und Bildschirme, auf die jedes Technikmuseum stolz wäre! Auch lässt die Weingummi-versorgung seitens der Geschäftsführung derzeit wieder zu wünschen übrig. Nicht zu vergessen, dass … Doch andererseits: Bei uns hat zwar nicht jeder ein eigenes Büro, was ja auch langweilig wäre, so ganz ohne Unterhaltung. Aber es gibt hier auch keine Journalistenintensivhaltung im Großraumbüro wie bei anderen, an sich zahlungskräftigeren Zeitungen.
Derzeit allerdings haben manche Redakteure doch ein Büro für sich, und wenn es rund um den Konferenztisch recht leer bleibt, liegt das nicht daran, dass die Kollegen dem Glockenläuten des CvD nur unwillig und zögerlich folgen. Es sind nur wenige da, viele sind in den Urlaub entschwunden. Wenn aber die Zukunft des Journalismus in der virtuellen Realität liegt (Seite 16) und wir ein bisschen in die Zukunft denken, die Mark Zuckerberg ankündigt: Eigentlich muss man vielleicht bald gar nicht mehr anwesend sein, weil man sich von einem Avatar vertreten lassen kann. Man träumt also weiter am Computer vor sich hin, während der Avatar, der ja nicht friert, im ungeheizten Konferenzraum erscheint. Denkt man allerdings noch etwas weiter und bezieht die Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz ein, kommt die Frage auf, ob der Avatar den Journalisten nicht irgendwann ersetzen wird. Wir trösten uns mit dem Gedanken, dass man recht wohl Börsennachrichten oder rechtspopulistische Hasspredigten von einer künstlichen Intelligenz schreiben lassen kann, keinesfalls aber so brillante Texte, wie Sie sie aus der Jungle World kennen und lieben. Doch was, wenn auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, durch Avatare ersetzt werden? Andererseits gibt es Leute wie den Physiker Silas Beane, die meinen, wir lebten bereits in einer Simulation, seien also so etwas wie Ava­tare. Avatare, die darüber meckern, dass es in ihrem Büro zu kalt ist und sich darüber Gedanken machen, dass sie durch Avatare ersetzt werden könnten. Verwirrend, nicht wahr? Und könnte dann nicht mal jemand ein wirklich cooles Programm schreiben, in dem es, nur für den Anfang, wenigstens immer genug Weingummis gibt?