Debatte - Pränataldiagnostik und Feminismus

Pro Choice heißt Wahlfreiheit

Die Pränataldiagnostik einzuschränken oder gar zu verbieten, wäre antifeministisch – sie sollte allen Frauen zugänglich gemacht werden.

Wir erleben einen heftigen Rechtsruck nicht nur in Europa, sondern auch in den USA. Einer der sensibelsten Indikatoren dafür ist das Thema Frauenrechte. Hierbei steht der Schwangerschaftsabbruch an vorderster Stelle. Klassische völkisch-rechtsextreme Parteien und religiös-reaktionäre Organisationen machen gegen die Wahlfreiheit mobil. Dabei gibt es verschiedene Strategien. Neben widerwärtigen Holocaust-Vergleichen und paternalistischen Diskussionen über die vermeintliche psychische Belastung, unter der Frauen nach einem Abbruch zu leiden hätten, taucht die Forderung nach dem Verbot von Pränataldiagnostik (PND) auf.
Zunächst einige Anmerkungen zu den medizinischen Hintergründen der PND: Diese ist nicht zu verwechseln mit Präimplantationsdiagnostik, also der Untersuchung von (befruchteten) Eizellen außerhalb des Körpers bei einer In-vitro-Befruchtung. PND dient ­einer Vielzahl von medizinisch relevanten Zwecken. Der wichtigste ist die Überprüfung, ob ein Fötus überhaupt lebensfähig ist. Spätabbrüche – also solche, die nach der zwölften Schwangerschaftswoche erfolgen – werden oft vorgenommen, weil der Fötus nicht lebensfähig ist, etwa weil sich bestimmte Organe nicht entwickeln oder inoperabel außerhalb des Körpers liegen. Dies so früh wie möglich zu erkennen, erspart Frauen zumindest eine ­Belastung. Auch bei lebensfähigen Föten können durch die PND Schäden festgestellt werden, die pränatal behebbar sind, etwa spina bifida oder Herzfehler. Bei der Feststellung von Auffälligkeiten bei Chromosomen geht es nicht nur um die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch, sondern auch um das Erkennen von Risikoschwangerschaften. Ein Verbot der PND würde bedeuten, dass viele Risikoschwangerschaften unentdeckt bleiben. Das sind die wichtigsten Gründe, warum ein Verbot aus feministischer Sicht nicht in Frage kommen kann.
Trotzdem gibt es einige Punkte, über die dringend diskutiert werden sollte. Die Kosten der PND werden nicht, oder nur in manchen Fällen, von der Krankenkasse übernommen. Sie sollte allgemein eine optionale Kassenleistung sein. Dasselbe trifft natürlich auch auf den Abbruch zu.
Außerdem gibt es ungleiche Fristen für verschiedene Indikationen. Ein Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer möglichen Behinderung des Fötus ist bei ­einem lebensfähigen Fötus oft eine soziale Indikation. Ein Abbruch aus sozialer Indikation ist zulässig, allerdings gib es unterschiedliche Fristen für verschiedene soziale Indikationen. Dieses Problem lässt sich auf zweierlei Art beheben: Entweder die Fristen werden ausgeweitet oder zuverlässige, aber derzeit teure PND-Methoden wie der Praena-Test, der schon in der zehnten Woche durchgeführt werden kann, muss allen zugänglich gemacht werden – um einen Abbruch innerhalb der erlaubten Fristen zu ermöglichen. Beide Forderungen würden einem Pro-Choice-Ansatz nicht widersprechen. Frauen lassen einen Abbruch nicht vornehmen, weil sie behindertenfeindliche Nazis sind (so das antifeministische Narrativ), sondern weil sie sich das Leben mit einem Kind mit Behinderung schlicht nicht leisten können. Politik für Menschen mit Behinderung darf nicht zu Lasten der Wahlfreiheit von Frauen gemacht werden. Es ist eine Strategie der religiösen Fundamentalisten, Föten mit geborenen Menschen gleichzusetzen. Ein wenige Wochen alter Fötus hat nicht dieselben Rechte wie ein geborener Mensch. Dementsprechend ist es unredlich, schwangeren Frauen vorzuwerfen, mit ihrem Recht auf Schwangerschaftsabbruch in das Leben von geborenen Menschen einzugreifen. Zudem ist es durchschaubar, warum die Parteinahme für Menschen mit Behinderung ausgerechnet an der Frage des Schwangerschaftsabbruchs festgemacht wird. Dabei gäbe es viele Möglichkeiten, das Leben mit Behinderung konkret zu verbessern. Angefangen bei der finanziellen Unterstützung von Frauen und Eltern, die sich für ein Kind mit Behinderung entscheiden, über Inklusion im Bildungs- und Arbeitsbereich und die Ermöglichung selbstbestimmter Sexualität bis hin zur Verbesserung der Altersvor­sorge. Mit all diesen Themen hat die Debatte über Schwangerschaftsabbruch nichts zu tun.
Abschließend sei noch einmal daran erinnert, was Pro Choice bedeutet: Es muss nicht jeder gefallen, warum eine Frau schwanger geworden ist. Es muss auch nicht jeder gefallen, warum eine Frau einen Abbruch vornehmen lassen will – aus finanziellen Gründen, weil sie keine Kinder möchte, weil sie ihren Beruf wichtiger findet. Ein feministischer Ansatz kann nur sein, dass Frauen immer und überall das Recht auf einen sicheren Abbruch haben müssen, am besten ohne Angabe von Gründen.