Landtagswahl in Sachsen

Sächsische Verhältnisse

Seite 2 – Warnstreikende mit Eiern beworfen

Allerdings ist es mit den sächsischen Befindlichkeiten so eine Sache. Mag man in dem Bundesland auch noch so gern darüber schimpfen, »von denen im Westen« übers Ohr gehauen worden zu sein – seit 1990 wählten die sächsischen Bürgerinnen und Bürger so, dass es stets eine CDU-Regierung gab. Sie wählten also diejenigen, die die DDR schnell abwickeln wollten und »nie wieder Sozialismus« versprachen.

Das ist eine Tatsache, die auch den­jenigen Linken nicht schmeckt, die den ostdeutschen Opferstatus gerne politisch nutzen würden – so zum Beispiel die Gruppe »Aufbruch Ost« aus Leipzig. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, die »ostdeutsche Seele« zu streicheln, und eine mehr therapeutische als politische Strategie entwickelt: drüber ­reden – oral history. Sie kritisiert, dass sich die außerparlamentarische Linke nicht ausreichend um die sozialen Zumutungen in den neunziger und nuller Jahren gekümmert habe, nicht im Osten und nicht im Westen.

Doch es lohnt sich ein genauerer Blick: Bis weit in die nuller Jahre waren große Arbeitskämpfe, abgesehen von den ersten Jahren nach der Wende, in Sachsen beinahe undenkbar. Warnstreikende wurden beschimpft, mit Eiern und faulem Obst beworfen; viele waren der Ansicht, wer Arbeit habe, solle nicht so unverschämt sein, noch mehr Geld zu verlangen. Wer keine Arbeit hatte, dem wurde zu verstehen gegeben, er solle froh sein, sich als Ein-Euro-Jobber nützlich machen zu dürfen.