Was passiert, wenn sich der Verkehr wie ein soziales Netzwerk organisiert

Teilen statt besitzen

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Wegen des Netzwerkeffekts erreichen Plattformdienste schnell Monopolstellungen. Oft werden dabei kostenlose Dienste querfinanziert, etwa durch Werbung oder die Auswertung von User-Daten. Nutzerinnen und Nutzer haben dort eine dreifache Funktion: Sie sind einerseits Kunden der Plattform, stellen andererseits eine Datenressource für diese dar und werden schließlich durch das entstehende Profil und Aktivitätsdaten selbst wieder zum Produkt. Deren Aktivität wird als Feedback ins System zurückgespeist und dient zur Optimierung desselben.

Derzeit ist die Etablierung solcher Geschäftsmodelle in vielen weiteren Branchen zu beobachten, von der Landwirtschaft bis hin zum Gesundheitswesen. So auch im Verkehrssektor: Die Digitalkonzerne auf beiden Seiten des Pazifik versuchen, diesen Markt zu erobern, etablierte Hersteller zu verdrängen und gleichzeitig das klassische Modell – Hersteller verkauft Fahrzeug an Endkunden, dem das Auto gehört und der damit herumfährt – durch ein neues zu ersetzen: User benutzen den Service einer Plattform, die Flotten betreibt und verschiedene Verkehrsanbieter bündelt.
IT-Giganten wie Google, Uber und auch der Elektromobilkonzern Tesla versuchen, den Übergang von in Privatbesitz befindlichen, mit Verbrennungsmotor betriebenen, menschlich gelenkten Autos hin zu einem autonomen Netzwerkdienst anzuführen, bei dem Algorithmen und Daten eine Schlüsselrolle spielen. Die Konzerne aus dem Silicon Valley – und das gilt in zunehmenden Maße auch für ihre chinesischen Pendants – zeichnen sich durch Kundennähe, Echtzeitinteraktion mit ihren Kunden und schnelles Ausliefern von Innovationen aus. Die klassischen Autohersteller hinken diesen Unternehmen, was die Geschäftsmodelle angeht, um Jahre hinterher. Die Autopilotfunktion von Tesla etwa konnten sich die Nutzer bereits vor drei Jahren von Teslas Servern herunterladen und freischalten – von einer solchen digitalen Produk­taktualisierung sind die klassischen Hersteller noch weit entfernt.

Am 18. September 2015 brachte die kalifornische Umweltbehörde mit einem Schreiben, einer sogenannten notice of violation, den sogenannten Diesel­skandal ins Rollen. Volkswagen hatte in seinen Diesel-PKW systematisch Betrugssoftware eingesetzt, um zu hohe Emissionswerte im tatsächlichen Betrieb auf dem Prüfstand niedriger erscheinen zu lassen. Ehemalige Manager von VW sind in den USA zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden, und auch in Deutschland wird ermittelt. Der VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn musste zurücktreten. Im Zuge des im September 2015 enthüllten Betrugs bei den Emissionen von Dieselmotoren wurde fast die gesamte Automobilindustrie zum Gegenstand von Ermittlungen, ähnliche Prak­tiken wurden auch bei anderen Herstellern entdeckt. Der damalige Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, beklagte, eine »Anti-Diesel-Lobby unter Führung von Nichtregierungsorganisationen« habe versucht, die Technologie zu diskreditieren.