Was passiert, wenn sich der Verkehr wie ein soziales Netzwerk organisiert

Teilen statt besitzen

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Tatsächlich steckt die Autoindustrie in einer existenzbedrohenden Krise, aber daran sind nicht in erster Linie die Proteste der Umweltbewegung schuld. In drei zentralen Innovationsbereichen ist die Branche technologisch ins Hintertreffen geraten: Das gilt sowohl für elektrische Antriebe und Speichertechnik, die Entwicklung selbstfahrender Systeme und auch die Organisation und den Betrieb von Carsharing-Flotten. Für jedes dieser drei Felder steht mittlerweile ein Unternehmen: Der E-Autohersteller Tesla, die Google-Tochter Waymo und der Fahrtvermittler Uber. In der deutschen Öffentlichkeit wird das Poten­tial dieser Firmen bisher trotz ihrer Marktvorteile unterschätzt: Waymo kennt hierzu­lande kaum jemand. Tesla wird erst ernst genommen, seit das Unternehmen 2018 mit dem »Model 3« seine Produktionsziele tatsächlich erreicht hat und damit zum bis dato einzigen Serienhersteller elektrisch an­getriebener Mittelklassewagen wurde. Und Uber darf bislang in Deutschland seinen wichtigsten Geschäftszweig, das Vermitteln von Fahrten mit Privatfahrzeugen, nicht betreiben.

Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland haben diese Konzerne die Nase vorn: Waymo sammelt seit Ende vorigen Jahres in Phoenix, Arizona, Erfahrungen mit dem ersten autonomen Robo-Taxiservice der Welt, derweil sich Tesla als führender Elektro­autohersteller auf allen wichtigen Märkten konsolidiert hat und Uber an die Börse gegangen ist, wo die Fahrtvermittlungsplattform derzeit fast ebenso hoch wie die Volkswagen AG bewertet ist.
In China, dem größten Markt der Welt, etablieren sich heimische Hersteller und Plattformen, die dem Beispiel ihrer kalifornischen Vorbilder folgen, teilweise noch schneller expandieren als diese und eine noch größere Nutzerbasis anpeilen. Die Hersteller in China sind zudem weltweit führend bei der Produktion von Elektrofahrzeugen und werden über kurz oder lang nicht nur den heimischen Markt bedienen, der derzeit noch der wichtigste Exportmarkt insbesondere der deutschen Hersteller ist.

Gibt es eine Alternative zur plattformkapitalistischen Organisation des Verkehrs? Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, eine der Vorkämpferinnen für eine urbane Verkehrswende, baut auf digitale Konzepte, allerdings als »öffentliche Dienste gemeinsam genutzter Mobilität«, deren Etablierung sie als »strategische Aufgabe der Städte« sieht. Es gibt also sehr wohl Elemente des Plattformkapitalismus, die emanzipatorisch genutzt werden könnten. Verkehrspolitik in Deutschland ist davon denkbar weit entfernt.