Carl Melchers im Gespräch mit Daniela Platsch, Alexandra Wimmer und Fayad Mulla über die Schnitzelfrage im österreichischen Wahlkampf.

»Gegen Schnitzel sein, das geht gar nicht«

Neben vielen anderen tritt auch die 2012 gegründete Partei »Wandel« zur österreichischen Nationalratswahl an. Zentrale Themen der Partei sind gerechte Verteilung, Chancengleichheit und nachhaltige Ökonomie. Die Jungle World sprach mit den Parteivorsitzenden Daniela Platsch und Fayad Mulla sowie dem Parteimitglied Alexandra Wimmer über die Rolle der sogenannten Schnitzelfrage im laufenden Wahlkampf.
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Was für eine Rolle spielen Schnitzel im österreichischen Wahlkampf?

Daniela Platsch: Die Junge FPÖ (gemeint ist die Freiheitliche Jugend Österreich, die Jugendorganisation der FPÖ, Anm. d. Red.) forderte im Juli als Reaktion auf die Debatte in Deutschland über Schweinefleisch an Kitas eine »Schnitzelpflicht« an österreichischen Schulen. FPÖ-Politiker behaupten seitdem völlig kontrafaktsich, in Österreich sei das Schnitzel in der Schule in Gefahr, weil wir so viele Flüchtlinge aufgenommen hätten.


Weil so viele Muslime gekommen seien?

Daniela Platsch: Ja, wegen der Muslime. Und dass die Bedrohung des Wiener Schnitzels an Schulen natürlich an den Grundfesten unserer Werte und Demokratie rüttelt und dass das auf alle Fälle nur der FPÖ zu verdanken ist, wenn Kinder in der Zukunft noch Schnitzel in der Schule essen dürfen. Weil das Schnitzelthema anscheinend schon so emotional aufgeladen ist in unserem Land, hat es sich inzwischen auf die Klimadebatte verlagert. In der Debatte reichen die Standpunkte von »das heimische Schnitzel muss bleiben« bis hin zu »wir sollten kein Schnitzel mehr essen«.


Wie stehen denn die österreichischen Parteien zu dieser Frage?

Daniela Platsch: Praktisch alle haben Stellung bezogen. Die FPÖ sagt, das österreichische Schnitzel muss bleiben, und Hauptsache, es ist vom österreichischen Schwein. Die SPÖ sagt: »Das Schnitzel muss leistbar bleiben.« Die Grünen sagen: »Es muss ein Bio-Schnitzel sein.« Und nur die ÖVP hat gesagt … was hat eigentlich die ÖVP gesagt?

Alexandra Wimmer: Ich kann mich gar nicht erinnern, ob die ÖVP groß Stellung bezogen hat.

Daniela Platsch: Vermutlich »Schnitzel nur für Leistungsträger«.

Alexandra Wimmer: Wahrscheinlich. Das Skurrile ist dabei, dass Geschäfte, die Schweineschnitzel als »Wiener Schnitzel« verkaufen, sogar Strafe zahlen müssen, denn es müsste »nach Wiener Art« heißen. Das original Wiener Schnitzel ist nämlich aus der Kalbsschnitte. Das finde ich eigentlich das Skurrilste an dem Thema, weil das Wiener Schnitzel nicht vom Schwein ist.


Aber wieso wird das überhaupt im Wahlkampf diskutiert?

Daniela Platsch: In Fernsehdiskussionen werden Spitzenkandidatinnen ­gefragt: »Was essen Sie am liebsten?« Oder: »Essen Sie Schnitzel?« So ist es tatsächlich ein Thema geworden. Und man muss sich mal vorstellen, weltweit brennen die Wälder von Sibirien bis zum Amazonas.


Und im Falle des Amazonas ausgerechnet für Futtermittel und Rinderzucht.

Daniela Platsch: Ja, genau. Aber wenn der Amazonas-Regenwald einmal verbrannt ist, sind die Leute, die das zugelassen haben, schuld an einer Zerstörung, die die ganze Menschheit betrifft. Und wir reden in Österreich darüber, ob wir noch Schnitzel essen dürfen oder nicht. Das ist schon absurd.


Gibt es eigentlich auch eine Partei, die sich gegen Schnitzel ausspricht? Eine Antischnitzelpartei?

Alexandra Wimmer: Nein, natürlich nicht.

Fayad Mulla: Wo denken Sie hin. Wir sind hier in Österreich.

 

Traut sich keine Partei zu sagen, mit den Schnitzeln muss jetzt mal Schluss sein?

Daniela Platsch: In Österreich gibt es wenige politische Tabus, aber gegen Schnitzel sein, das geht gar nicht.
Was ist denn die Position Ihrer Partei zur Schnitzelfrage?

Fayad Mulla: Wir finden, es gibt wirklich dringendere Themen, über die ­diskutiert werden sollte.