Regierungskritiker landen im Kast

Der Zweifrontenkrieg

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Während der Großteil der türkischen Öffentlichkeit weitgehend desinformiert an einen Kampf gegen den Terror glaubt, ringt die kurdische Opposition um eine Aufmerksamkeit, die zurzeit in der Türkei unterbunden wird. Der Vorsitzende der prokurdischen Demokratischen Volkspartei (HDP) in der Türkei, Sezai Temelli, gab am 17. Oktober in İzmir im Gebäude seiner Partei eine Pressekonferenz, nachdem die Gouverneure im ganzen Land Kundgebungen verboten hatten. »Ihr seht, was für eine große Angst sie vor Öffentlichkeit haben. Aber diese werden wir mit allen Mitteln herstellen und uns immer wieder gegen den Krieg aussprechen. Denn er ist mit nichts zu begründen.« Temelli betonte, dass die einzige Chance der Opposition momentan sei, die Schuld der türkischen Regierung und ihrer Politik der Gewalt zu beweisen.

Das ist keine leichte Aufgabe. Selbst im nordirakischen Erbil, der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan im Irak, ist die regierende Demokratische Partei Kurdistans (KDP) unentschlossen, wem ihre Solidarität gelten soll, und das obwohl ihre Armee gemeinsam mit der YPG gegen den »Islamischen Staat« gekämpft hat.
Letztlich sitzt die Türkei am längeren Hebel, da die internationale Gemeinschaft sie gewähren lässt und ihren Vorwand akzeptiert, die eigenen Landesgrenzen zu schützen, wie es etwa das US-Außenministerium in einer Stellungnahme tat – , auch wenn US-Präsident Donald Trump zugleich Sanktionen verhängte sowie eine Erhöhung der Zölle auf Stahl und Aluminium und einen Abbruch von Gesprächen über ein Handelsabkommen ankündigte. Obwohl Vertreter der USA und der Türkei eine Waffenruhe in Nordsyrien ausgehandelt hatten, änderte diese an der Situation vor Ort wenig. Bundes­außenminister Heiko Maas (SPD) sagte am Sonntagabend im ZDF, das türkische Vorgehen stehe »nicht im Einklang mit dem Völkerrecht«. Einige Länder der EU, wie etwa Deutschland, kündigten in der vergangenen Woche ein Waffenembargo an und warnten die Türkei vor dem Verlust europäischer Gelder im Rahmen des Flüchtlingsabkommens. 

Aber auch das wird die Türkei nicht stören, denn vor allem mit deutscher Unterstützung von Rüstungsfirmen wie Rheingold floriert die türkische Rüstunsgindustrie. Genug Panzer und Kriegsflugzeuge hat das Land ohnehin, Munition stellt es mittlerweile selbst her.