Yo La Tengos »We Have Amnesia Sometimes«

Wieso, weshalb, warum?

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Kann man Yo La Tengo nicht einfach stunden-, tage-, wochen-, monatelang beim Proben zuhören? Sollte das US-Indie-Trio nicht immer, wie nun bei den Aufnahmen zum neuen Album »We Have Amnesia Sometimes«, ein Mikrophon in die Mitte des Übungsraums stellen und einfach alles mitschneiden? Wieso klingen die eigentlich zu dritt, dieses Mal rein instrumental, mit ihren repetitiven Sounds so atmosphärisch wie ganze fünf Orchester zusammen? Warum können diese 37 Minuten Musik, zu denen man sich hypnotisch in Trance wiegen kann, nicht wenigstens noch ein bisschen länger dauern? Wäre man nicht gerne immer und überall umgeben von den wohlig-warmen Orgelklängen, den Gitarren-Drones und dem angenehmen Grundrauschen, das einen hier vom Haarschopf bis zu den Zehen durchdringt? Würde man sich dann nicht Meditation, Wellness und Therapie sparen? Oder ist es vielleicht so gedacht, dass man jeden der fünf Wochentage, nach denen die Tracks benannt sind, das jeweilige Stück 24 Stunden in Dauerschleife hören soll? Wie kann es überhaupt sein, dass die beste Ambient-Platte des Jahres ausgerechnet von einer Indieband kommt? Wie gut müssen die Vibes zwischen Ira Kaplan (Gitarre, Piano), Georgia Hubley (Drums, Piano) und James McNew (Bass) sein, dass sie aus improvisierten Sessions (die übrigens in Zeiten von Social Distancing stattgefunden haben sollen) einfach mal eine derartige Musik gewordene Wohltat fast beiläufig offerieren? Wie gelingt es ihnen, dass die fünf Tracks, in denen scheinbar nichts passiert, in denen sie ewig auf bestimmten Tonfolgen hängenbleiben und die Rhythmusinstrumente sehr reduziert einsetzen, so dermaßen ergreifend sind? Warum klingen Yo La Tengo selbst da noch unverwechselbar nach Yo La Tengo, wo sie düster-doomig fast in Metalgefilde abgleiten (»Georgia thinks it’s probably okay (Tuesday)«)? Und sowieso: Wie obersympathisch und megacool sind eigentlich Yo La Tengo?

Yo La Tengo: We Have Amnesia Sometimes (Matador Records/Beggars)