Homestory #42


Es herrscht große Trauer unter dem Himmel. Oder, präziser gesagt, unter der Zimmerdecke im Homeoffice, die einem nun auf den Kopf zu fallen droht. Denn eine Redakteurin aus dem Thema-Ressort verlässt uns nun. Zu unserem größten Bedauern, aber da kann man leider nichts machen. Ist ja ein freies Land hier, so sagt man jedenfalls. Und so groß der Trennungsschmerz sein mag – im Rest der Welt gibt es, das müssen wir zugeben, ja auch Bedarf an den Klügsten und Besten der linken Publizistik, also an Redakteurinnen und Redakteuren der Jungle World.

Nun gut, es gibt da den einen, dessen Namen einem nicht über die Lippen kommen will. Wird man auf ihn angesprochen, bleibt kaum etwas anderes übrig als eine verdruckste Rechtfertigung: »Jaaa, der war mal bei uns, aber das ist sooo lange her, und wer hätte damals ahnen können, und danach war er ja noch beim linken Magazin X und bei der linken Tageszeitung Y … « Ansonsten machen unsere Ehemaligen uns keine Schande, im Gegenteil. Manche kämpfen für die Menschenrechte oder auch den Tierschutz, andere führen das edle Werk der Aufklärung und Subversion bei anderen Medien weiter, einer war einem Sultan sogar so lästig, dass dieser ihn einkerkern ließ. Und viele bleiben in unserem Orbit, denn mit der Jungle World ist es ein bisschen so wie mit Haribo oder Heroin. Wer davon gekostet hat, kommt nie wieder ganz davon los. Wir sind uns sicher, dass unsere nunmehr ehemalige Redakteurin uns weiterhin alle Ehre machen wird und Sie schon bald etwas von ihr in unserer Zeitung werden lesen können.

Doch diesmal gibt es noch eine weitere Sorge. Es gehört zu den schönen Sitten und Gebräuchen Ihrer Lieblingszeitung, jene, die trotz allen Bettelns und Klagens gehen wollen, mit einem ­gemeinsamen Besäu … – also, einem kleinen Umtrunk zu verabschieden. Wie kann ein würdiger Abschied in Zeiten der Pandemie aussehen? Wir denken noch angestrengt nach. Die Bundesregierung ist uns, wie so oft, keine große Hilfe, denn sie fordert, dass wir – nicht nur wir bei der Jungle World, sondern »wir«, also auch Sie – das Feiern »runterfahren«. Etwas mehr Kreativität wäre da schon wünschenswert, aber dafür ist die Bundesregierung ebenso wenig zuständig wie der Markt. Ein Anfang könnte die Parole »Luftfilter für alle, sonst gibt’s energische, aber selbstverständlich friedliche Proteste« sein. Erfahrungsgemäß dauert es jedoch eine Weile, bis Staat und Kapital einknicken. Wir aber bleiben zuversichtlich, rechtzeitig für die Abschiedsfeier noch ein pandemiegerechtes Feierformat finden zu können.