Vor uns die Sintflut
Es fängt an wie der öde Auftakt zu einer rauschenden Party, auf der alle noch nüchtern rumstehen und verständnisvollem Smalltalk frönen: über übergriffige Partner, die den Nasenspraykonsum ihrer Liebsten kontrollieren, um sie aus der Abhängigkeit zu erretten, über Selbstoptimierung durch Fitnessprogramme sowie über andere existentielle Fragen, wie etwa die, ob man lieber »Scapegoat« oder Mitläufer sein sollte. Der Albumtitel »Warum Overthinking dich zerstört« von Sorry 3000 ist auf der ersten Hälfte der Platte Programm. Warum bloß hat sich die Band für die Single-Auskopplungen gerade für drei Songs aus dieser Plattenhälfte entschieden?
Doch dann drehen Sorry 3000 richtig auf und zeigen auf der B-Seite, dass sie in die Fußstapfen der aufgelösten Schnipo Schranke treten können. Naiver Synthiepop, der – abwechslungsreich und doch immer eingängig, kombiniert mit weiblichem Sprechgesang und gelegentlicher männlicher Ergänzung – eine hymnische Stimmung schafft. Die Reime schmiegen sich dem Versmaß mal elegant an, mal stolpern sie vorsätzlich drüber weg.
Liebstes Thema, ohne jede Sentimentalität, ist die ostdeutsche Provinz. »Wo die Sintflut schon mal war, wird es nie mehr wunderbar«, und: »Es ist nicht schlecht, es ist beschissen«, heißt es da. Damit ist kein Kaff, sondern immerhin Halle an der Saale gemeint, die Stadt, die Paula Irmschler in ihrem Promo-Text als »das interessantere Leipzig« bezeichnet. Im Song »Tarifgebiet« thematisieren Sorry 3000 Klassenunterschiede, Hipster-Gewissen und Bahnreisen in Deutschland (»Als Reisender im ICE tut Sachsen-Anhalt niemand weh«) dermaßen lakonisch, dass man ihnen nur zu gerne vergibt, ihre gelungenen Zeilen in anderen Songs gerne zu oft zu wiederholen.
Sorry 3000 singen über die vorherrschende Selbstoptimierung, die auch vor Linken nicht haltmacht, über die Liebe zu linken Mackern und ihren eigenen Größenwahn. Sorry 3000 – not sorry for listening in Endlosschleife.
Sorry 3000: Warum Overthinking dich zerstört (Audiolith)