Die preistgekrönte Reportage: Deutschlands Parteistrategen wollen die »Bernie Sits«-Kampagne kopieren

»Schlägt ein wie die Virusmutante«

Kolumne Von

Es ist ein Bild, das um die Welt ging: Bernie Sanders, linker Abweichler der US-amerikanischen Demokraten, sitzt während der Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden mit Mundschutz, Parka und riesigen Wollhandschuhen verloren auf einem Klappstuhl. Zehntausende Male wurde das Bild inzwischen bearbeitet, der irgendwie wütend und in sich gekehrt wirkende Sozialist in unzählige popkulturelle Zusammenhänge montiert.

Nun rotieren die Öffentlichkeitsarbeitenden der deutschen Politgrößen in ihren Eames-Loungesesseln: Wie kriegen auch wir ihn hin, den Bernie-Moment? »Die Platzierung eines betrunkenen Bodo Ramelow auf dem Kinderkanal ›Clubhouse‹ hatte leider nicht den erhofften Wumms-Effekt«, gibt eine Strategieberaterin der Linkspartei zu.

Alle Versuche, die Begeisterung des Ministerpräsidenten für das Smartphone-Spiel Candy Crush zu vermarkten, dürfen als gescheitert gelten. »Candy Crush ist zu positiv, zu lebensbejahend. Es fehlt das Grimmige, Verbissene – der `Bern‘ eben!«

Bei der SPD überlegt man nach dem Sanders-Hype, aktuelle Fotos von Olaf Scholz zu posten. »Sie lassen ebenfalls an Untergang denken – an den eigenen oder den der Partei«, so ein Werbestratege. In der CDU hingegen bemüht man sich, den neuen Vorsitzenden und Corona-Versager Armin Laschet als Bernie-Sanders-Double aufzubauen: »Mit zwei Tönnies-Würsten in der Hand in einer verlassenen Kölsch-Kneipe sitzend, dazu ein von Joe Laschet gestalteter Mundschutz aus 100 Prozent Nappa-Leder – das wird einschlagen wie eine Virusmutante«, sagt ein Sprecher.

Die Grünen sind noch unsicher, wie sie auf den Sanders-Kult reagieren sollen: »Aus dem virilen Habeck und der kühnen Baerbock noch mehr Kult herauszuschlagen, das überfordert uns!«

Nach dem Vorbild Ramelows könnte Robert Habeck neueren Planungen zufolge einen Onlyfans-­Account einrichten und für Parteispenden strippen. Ob der Auftritt auf der Schmuddelplattform dann aber auch tatsächlich als subtiler Protest gegen das Politestablishment von den Wählern verstanden wird, darüber ist man sich in der Grünen-Zentrale noch nicht einig.

Einzig Christian Lindner weiß ganz genau, was er will: »Sich müde, abgekämpft und irgendwie businesslike auf Instagram präsentieren, das habe ich schon im letzten Wahlkampf geschafft. Notfalls mache ich das komplett in muffige, dicke Wollsachen gehüllt. Oder nackt, wie Habeck. Hauptsache, die Leute wählen nicht AfD, sondern das Original, die FDP!«