Homestory

Homestory #50

Man ist derzeit in der merkwürdigen Situation, dass man in täglich neu erscheinenden wissenschaftlichen Studien herausfinden kann, wie das kommende Jahr so wird. Die Rede ist natürlich von der neuen Omikron-Variante von Sars-CoV-2, die für Milliarden Menschen auf der ganzen Welt 2022 das Leben bestimmen wird. Einiges weiß man schon – Omikron ist ansteckender als Delta, auch die Zahl der Impfdurchbrüche wird steigen. Aber viele Studien, die derzeit erscheinen, sind angesichts der Datenlage noch mit reichlich Caveats versehen.

Als durch die Meldungen scrollender Laie schöpft man mal kurz Hoffnung, wenn irgendwo auf eine niedrige Hospitalisierungsrate in einer südafrikanischen Provinz verwiesen wird, und lässt sie dann gleich wieder fahren, wenn eine andere Quelle vorrechnet, dass eine niedrige Hospitalisierungsrate angesichts der enorm hohen Ansteckungsrate von Omikron auch keinen Unterschied machen würde – und wartet ansonsten darauf, dass es bald mehr gesicherte Informationen gibt. Das Ganze hat etwas Passives, als warte man bloß ab, was das Universum uns serviert. Auf eine gewisse Weise stimmt das auch. Ein Virus ist eben, wie es ist, man kann es nicht einfach wegwünschen – auch wenn Maßnahmengegner und Impfverweigerer das zu glauben scheinen. Aber an der Pandemie, die dieses Virus verursacht, hat der Mensch seinen Anteil.

Es ist wie mit den Tornados: Auch die sind Naturkatastrophen, die der Mensch nicht abschaffen kann. Doch nicht nur werden ­extreme Wetterlagen wegen des menschengemachten Klima­wandels immer häufiger und schlimmer, auch der Umgang mit ihnen ist menschengemacht. So könnte man zum Beispiel fragen, ob die sechs Angestellten eines Amazon-Lagers in Illinois, die am Freitag voriger Woche starben, als ein Tornado das Dach ihres Arbeitsplatzes zum Einsturz brachte, an jenem Tag nicht hätten zu Hause bleiben können. Ähnlich sieht es in der Coronapandemie aus. Jeder Gesundheitsnotstand steckt randvoll mit Politik und Herrschaftsverhältnissen – und dasselbe gilt für den ganz normalen Gesundheitsbetrieb in einer kapitalistischen Gesellschaft.

Man kann es leicht vergessen, da es heutzutage Kritik an sogenannter Schulmedizin und Gesundheitsbehörden fast nur noch in wahnhafter und reaktionärer Form zu geben scheint, aber Linke haben immer wieder emanzipatorische Kritik am Gesundheitssystem und an der medizinischen Praxis in dieser unserer Gesellschaft betrieben. Wenn Sie sich nun fragen, wie denn eine zeit­gemäße linke Gesundheitspolitik aussehen oder was das überhaupt sein könnte, gibt es gute Nachrichten: Die kommende Woche erscheinende, extradicke Weihnachtsausgabe der Jungle World wird versuchen, all diese Fragen zu klären, und noch viel mehr. Und um Yoga geht es auch. Falls es also erneut einen Lockdown gibt, gibt es also wenigstens was zu lesen.