Imprint: Das Bevölkerungsgesetz von ­Thomas Malthus erfreut sich in der Klimadebatte großer Beliebtheit

Zu viel sind immer die anderen

Vom Malthusianismus über den Neomalthusianismus zum Ökomalthusianismus. Die Warnungen des britischen Rassenbiologen Thomas Malthus (1766–1834) vor den Folgen von Überbevölkerung prägen die politische Diskussion bis heute. In der Debatte über den Klimawandel werden seine Thesen vor allem von Rechten aufgegriffen.
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Der Malthusianismus sieht in der Überbevölkerung des Planeten die Ursache für Krisen. Es gebe einfach zu viele Menschen, wobei überzählig natürlich immer die anderen sind. Eine solche Deutung sozialer Widersprüche und ökologischer Zerstörungen, des Klimawandels sowie der dadurch ausgelösten sozialen Folgen stößt wieder auf große Resonanz. Das gilt nicht nur für die extreme Rechte, sondern auch für Anhänger der Umweltbewegung, der Tiefenökologie, des Bioregionalismus und Biozentrismus, aber auch für liberale und linke Kreise. Die Ideologie des Malthusianismus ist stets mit sozialdarwinistischen und eugenischen Tendenzen verbunden und kann deshalb eine mörderische Politik befördern. Deswegen soll im Folgenden seine Entstehung, Entwicklung und Bedeutung skizziert werden.

Der Hungerpastor
Aktive Bevölkerungspolitik ist ein Kennzeichen des modernen Staats. Im Zeitalter des Merkantilismus war Bevölkerungswachstum erwünscht, Einwanderung wurde gefördert und Menschen wurden in den Kolonien angesiedelt, freiwillig oder durch körperlichen Zwang. Es ging darum, die Anzahl der Arbeitskräfte zu erhöhen, Land urbar zu machen, Rohstoffe auszubeuten und sicherzustellen, dass es genügend Soldaten gibt. Und dafür brauchte man Menschen, je mehr, desto besser.

Diese Reduktion der Bevölkerung auf ihre Produktivität, also des Menschen auf seine Arbeitskraft im Produktionsprozess, änderte sich, zumindest der Theorie nach, mit der Französischen Revolution und Vorstellungen von radikalen Demokraten und Sozialisten, die über eine bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft hinauswiesen.

Seit mehr als zwei Jahrhunderten prägt das sogenannte malthussche Bevölkerungsgesetz die politische Diskussion. So bezeichnete Gustav Cohn das malthussche Bevölkerungs­prinzip 1882 als das »unerschütterlichste und wichtigste Naturgesetz der ganzen bisherigen Nationalökonomie«.

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