Homestory

Homestory #9

Als Wladimir Putin 2014 die Krim annektierte, titelte die Jungle World »Antifa heißt Angriff«. Das war ein Witz nicht nur über Putin selbst, der seinen Angriff tatsächlich als antifaschistischen rechtfertigte, sondern auch über diejenigen Linken in Deutschland, die dieser Argumentation willfährig folgten. Obwohl sich, so stand es in einem Text der Ausgabe, die Systemfrage gar nicht stelle, schlügen sich antiimperialistische Linke fast uneingeschränkt auf die Seite Putins – eine Tatsache, die schwer zu erklären sei. Aber doch, es gibt eine Erklärung: Wenn es gegen »den Westen« geht, kennt man in Teilen der Linken nichts.

Schon Wochen bevor Russland seine Invasion der Ukraine startete, rumorte es wieder in Teilen der deutschen Linken – sei es in ihren Gruppen, ihren Blättern oder ihren Parteien. Als Farce wurde all das wieder aufgeführt, was bereits 2014 geprobt worden war. Wer den Begriff Westen nicht in den Mund nehmen wollte, der sprach einfach von der Nato, zum Beispiel von dem »Bedrohungsmarathon«, den sie gegen Russland veranstalte, fabulierte von einem angeblichen »Ukraine-Hype« und verweigerte ein »Bekenntnis« zum Westen, obwohl keiner ein solches eingefordert hatte. Woanders war zu lesen, dass Russland, das »größte Land der Erde«, nicht nach der Pfeife der Nato tanzen werde, während China, das »bevölkerungsreichste Land«, den Imperialisten mit seiner »Wirtschaftsmacht« Angst einjage. Das sind wohl die Dinge, die einem durchschnittlichen Deutschen die Brust vor lauter Stolz anschwellen lassen: Größe, Macht und Fruchtbarkeit. Dass der russische Präsident dann noch vergangene Woche über die »Drogenabhängigen« in Kiew herzog, wird wohl der einen oder anderen Neuköllner Schlägerbande gefallen haben. Putin goes straight edge.

Die straighten Edgelords melden sich auch derzeit in den Kommentarspalten bei ihrer Lieblingszeitung zu Wort. Als »Nato-Sozialisten« werden wir dort bezeichnet oder als ausgelagertes Volonta­riat von Springers Welt. Gut gebrüllt, aber es bleibt dabei: Sex ohne Reproduktion statt Fruchtbarkeit ist eine super Sache, dekadenter Rausch der »Drogenabhängigen« ist niemals zu verabscheuen und überhaupt sind es die kleinen und nicht die großen Dinge des Lebens, die zählen, seien es auch selbstgebastelte Molotow-Cocktails. Friede (Springer) sei mit euch!