Homestory

Homestory #13

Auf einmal wird wieder über »kulturelle Aneignung« diskutiert, allerdings nicht wie üblich in linken Zeitschriften, WG-Küchen oder auf Festivals, sondern in der Zeit, der Welt, der FAZ. Seit Jahren passiert das: Bei Linken unverdaute Debatten werden nochmals grotesker in den großen Zeitungen breitgetreten, was an ein Wunder grenzt, ist doch die ursprüngliche Geschichte meist schon so schrill, dass man sie kaum toppen kann. Wie auch in diesem Fall: Fridays for Future haben ein geplantes Solidaritätskonzert der Musikerin Ronja Maltzahn in Hannover wegen deren Dreadlocks abgesagt. Die Hannoveraner Sektion sorgt sich nämlich jetzt nicht mehr nur um den Klimawandel, sondern »setzt« seit kurzem auch »auf ein antikolonialistisches und antirassistisches Narrativ«, wie es empathielos, bürokratisch und rein instrumentell in ihrer Absage an die Musikerin heißt. Von weißen Menschen getragene Dreadlocks passen da nicht ins Konzept.

Sie, liebe aufmerksamen Leserinnen und Leser, gähnen vermutlich gleich, wenn Sie von solch einer Debatte hören, hat Ihre Lieblingszeitung doch dem Thema »kulturelle Aneignung« bereits vor, ähm, sechs Jahren ein komplettes Titelthema gewidmet, in dem das Ganze als das analysiert wurde, was es eben ist: Ethnopluralismus von links.

Eine Kollegin, die früher einmal Dreadlocks trug, ist von der Diskussion so genervt, dass sie, wenn sie noch in Berlin leben würde, sich tatsächlich die Haare wieder verfilzen lassen würde, nur um ein paar Leute zu ärgern. Ein anderer Kollege, der gerne Röcke trägt, fragt sich, ob das nicht auch zur Logik der »cultural appropriation« zu zählen sei: Ein privilegierter Mann trägt ein klassisches Frauenkleidungsstück! Skandal! Natürlich nicht, aber die Kleidungsnummer macht das ganze nochmal komplizierter: Kann man von »doppelter« Aneignung sprechen, wenn der Kollege aus Hamburg ein Dirndl, das traditionelle bayerische Gewand, tragen würde? Dazu kommen wird es eh nicht, denn der Kollege würde etwas »Eleganteres« bevorzugen: lieber Abendkleid als Tracht! Keins von beidem ist die Burka, die eine Kollegin tatsächlich in ihrem Kleiderschrank hängen hat. Ausgeführt wurde sie selbstredend noch nicht, gekauft wurde sie, weil die Kollegin eine Schwäche für schöne Stickereien hat, wie sie das Gewand leider Gottes zieren.

Haben wir den Neandertalern die Erde geklaut? Ist nicht die Geschichte des Homo sapiens am Ende die von afrikanischen Kolonisatoren? Das sind natürlich alles »white facts«, wie das mittlerweile im postkolonialen Jargon heißt. Diese Ausgabe der Jungle World ist garantiert vollgepackt mit Fakten in allen möglichen Farben. Viel Freude bei der Lektüre!