Imprint: Das utopische Potential der Kulturarbeit vor deren kapitalistischer Zurichtung retten

Kulturarbeit und Utopie

Es gibt nicht nur das Unbehagen an der Kultur, sondern auch ein Unbehagen an der Kulturarbeit, an ihren Produktionsverhältnissen: Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, Musiker, Publizisten und Schriftstellerinnen üben Tätigkeiten aus, die eigentlich für ein anderes, freieres Verhalten zu Dingen, zu anderen und zu sich selbst stehen, als es in der gegenwärtigen Gesellschaft möglich ist. Wie lässt sich das utopische Potential der Kulturarbeit bergen?
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Doppelleben und Nichtidentität
»Die einen müssen mitmachen, weil sie sonst nicht leben könnten, und die sonst leben könnten, werden draußen gehalten, weil sie nicht mitmachen« (Theodor W. Adorno): Die Spaltung zwischen Vollprofis und partiellen Amateuren durchzieht das Kulturleben ganz. Im Vergleich zu Adornos Zeiten ist das Feld komplexer, hybrider geworden. Es gibt Deserteure und Verräter des Betriebs aller Art. Die Lebensrealität einer großen Mehrheit künstlerisch und intellektuell tätiger Menschen ist eine zusammengesetzte, keine einheitliche. Der Beruf der Künstlerin, des Schriftstellers, der Journalistin, der Wissenschaftlerin, des Performers ist in den meisten Fällen eine für die Person zwar sehr wichtige Identität; meist aber eben nicht die vorrangig beruflich existenzsichernde Tätigkeit.

Daneben gibt es meist noch zeitlich, energetisch und mental je nach Notwendigkeit und Bedarf mehr oder weniger beanspruchende Brotnebenjobs, Brotjobs und Brotberufe innerhalb wie außerhalb des Kulturlebens. Und es gibt (zumindest für einen großen Teil der Frauen und avancierteren Männer) dauerhafte, zeitlich, energetisch und mental je nach Lebensphasen mehr oder weniger beanspruchende Haushalts- und Sorgearbeiten. Die zusammengesetzte Form dieser (Nicht-)Identität ist also die eines Doppellebens, in vielen Fällen die einer drei- oder mehrfachen Identität. Der Witz ist also die Nichtidentität, die Vielfältigkeit der Existenz. Darin steckt die konkrete Utopie.

Je mehr Mitbewerber es um knappe Stellen gibt, desto mehr wird die Berufsethik im betreffenden Feld korrumpiert.

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