Die Negation der Negation: Immer, immer wieder geht die Sonne auf

Homestory #50/23

Ganz gegen die linksradikale Etikette: Kommen wir zum Wald- und Wiesenthema Wetter.
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Es gehört ja ganz eindeutig dazu und zum guten Ton, dass Linke und insbesondere radikale Linke die gute alte Kraft der Negation abfeiern. »Think positive«, das überlässt man gerne den trüben New-Age-Tassen, die – von irgendeiner Witchcraft-Tradition komplett aus der intellektuellen Spur geworfen – sich entsprechende Wandtattoos auf die Tapete kleistern und zu Weihnachten Bücher mit diesem oder einem ähnlichen Titel verschenken, die 365, wenn nicht gar 366 mutmachende und kraftspendende Inspirationen, Texte und Mantras enthalten: Damit wollen sie allüberall Kraft durch Freude, Selbstrespekt und kindness zu verbreiten, unter praktischer Anwendung von Elementen aus der positiven Psychologie, wie es auf dem Waschzettel des literarischen Machwerks zu lesen ist.

»Ob Sonne oder Regen, wir sind dagegen«

Da ist man selbst aus einem ganz anderen Holz geschnitzt. »Ob Sonne oder Regen, wir sind dagegen«, heißt es da dialektisch, und schon an der feinen Selbstironie kann man erkennen, dass man sich von ein bisschen Wetter keinesfalls einschüchtern lässt. Schließlich hatte man doch bereits seit dem legendären Sieben- oder Achtundsechzig lauthals verkündet: »Alle reden vom Wetter, wir nicht!«

Auf durchweg rotem Grund im oberen Bereich in weißen, mittig auf drei Zeilen verteilten Buchstaben „Alle reden vom Wetter“, in der Mitte des Plakats die Köpfe von Karl Marx, Friedrich Engels und Lenin abgebildet, das untere Drittel des Motivs durch die zentriert gesetzten Worte „Wir nicht.“ gefüllt, die unterste Zeile nimmt, zeilenfüllend, die Bezeichnung „SDS SOZIALISTISCHER DEUTSCHER STUDENTENBUND“ ein.

»Alle reden vom Wetter«. Plakat des SDS von 1968

Bild:
Archiv 2. Juni

Auch ein Song Bob Dylans machte seinerzeit klar, dass man keine Wetteransage braucht, um zu wissen, woher der Wind weht. Aber das war auch noch eine Zeit, in der es keine Smartphones gab und keine sensationsheischende Wettervorhersage auf dem Display, die einem milde Matschtemperaturen um die null Grad als »extreme Kälte« unterjubelt.

Wobei, wenn man es genau betrachtet und die Dialektik noch ein wenig weiter spielen lässt, um gewissermaßen zur Negation der Negation vorzudringen, gegen ein bisschen Sonne auch nichts einzuwenden wäre, nachdem es in den vergangenen Wochen, wenn nicht Monaten unablässig geregnet hat. Zudem war der Sommer relativ kühl geraten – zumindest hier in Berlin, wo die Redaktion Ihrer Lieblingszeitung ihr Domizil hat – und der Herbst herbstlich nass, während sich nun der Winter trüb und matschig ankündigt, ohne außer in Ansätzen mit knackiger Kälte und Sonnenschein zu brillieren.

Womit wir dann doch glücklich beim die Gespräche belebenden Wald- und Wiesenthema Wetter angelangt wären, und vielleicht ist es ja auch ein kein ganz eklatanter Verstoß gegen die linke, wenn nicht linksradikale Etikette der generellen Negation, des Rundum-Dagegenseins, wenn man sich ein bisschen Sonnenschein wünscht. Nur mal so zur Abwechslung, nur ein bisschen.