Die Darstellung der Frauen in Woody Allens neuem Film ist ärgerlich

Zum hundertsten Mal Manhattan

Wer sich an einem verregneten Novembertag auf Woody Allens »A Rainy Day in New York« einlässt, braucht starke Nerven, denn sein Film ist so belanglos wie sein Titel und gespickt mit eindimensionalen Frauenfiguren.

Zahlreiche Schauspielerinnen im Alter zwischen 20 und 60 Jahren haben sich in den vergangenen Monaten zu den Missbrauchsvorwürfen gegen Woody Allen geäußert. Er soll in den neunziger Jahren seine Adoptivtochter Dylan Farrow missbraucht haben. Ganz Hollywood scheint sich in zwei Lager gespalten zu haben, die eingeschworenen Woody-Allen-Fans wie seine einstige Muse Diane Keaton und die Fraktion »Auf-keinen-Fall-dreh-ich-nochmal-was-mit-dem«. Während der Produktion von Allens neuem Film stieg der Partner Amazon wegen der erneut im Zuge von »Me too« diskutierten Vorwürfe gegen den Regisseur aus; deshalb ist »A Rainy Day in New York« in den USA auch noch nicht angelaufen. »Americans are lucky they can’t see it«, schrieb Uri Klein in der israelischen Tageszeitung Haaretz in einem ­Verriss.

In »Blue Jasmine« von 2013 zeigte Woody Allen noch Empathie und Interesse für eine Frauenfigur. Doch in seinem neuen Film ist davon nichts mehr übrig.

Im Film geht es um Gatsby (Timothée Chalamet) und Ashleigh (Elle Fanning), ein junges Pärchen, das eigentlich ein gemeinsames Wochenende in New York verbringen will, davon aber durch andere Menschen abgebracht wird, so dass sie am Ende eigene Wege gehen.

Was explizit als romantische Komödie angelegt ist – Regenspaziergän­ge durch New York und melancholischer Jazz inklusive – und an Allens »Manhattan« von 1979 erinnert, in dem ein neurotischer Intellektueller zwischen Affären hin-und hergerissen durch New York streunt, gerät wegen des gänzlichen Fehlens von Selbstironie und der überzeichneten Darstellung seiner Frauencharak­tere zur humorlosen Groteske.
Allens 49. Film als Regisseur ist wieder einmal eine Beschwörung der liberalen Vereinigten Staaten und die gefühlt 100. Liebeserklärung des Regisseurs an New York. »A Rainy Day in New York« wirkt allerdings wie ein Abgesang voller Hybris und triefendem Pathos auf das Œuvre des Filmemachers. Das wäre eigentlich gar nicht so schlimm, erhöbe Allen nicht die Vorwürfe gegen sich selbstreferentiell und größenwahnsinnig zu einer Tugend, die ihm daraus erwachse, und inszenierte er seine eindimensionalen Vorstellungen von Frauen nicht ganz so unverhohlen.

In Allens Novemberblues ist der Filmheld ein verwöhnt-verträumter beau gosse. Die männliche Hauptfigur Gatsby (Achtung, Wink mit dem Zaunpfahl, wohl nach F. Scott Fitzgeralds »Der große Gatsby« benannt, eine Identifikationsfigur Allens) ist ein aus der Zeit gefallener Held, der alte Musik und Regentage mag und auf dem Klavier »Everything Happens to Me« aus den Vierzigern klimpert und seine wahre Liebe nach den typischen Allen’schen Irrungen und Wirrungen findet. Gatsby will im Grunde nur ein romantisches Wochenende in New York mit seiner High-School-Liebe Ashleigh erleben. Sie will für ihre College-Zeitung den berühmten Regisseur Roland Pollard (die Figur, gespielt von Liev Schreiber, ist eine ziemlich deutliche Anspielung auf Roman Polanski) interviewen. Gatsby selbst will der aus Arizona stammenden Ashleigh, also gewissermaßen dem Mädchen aus der Provinz, sein New York zeigen. Während sie den egomanen Starregisseur Pollard interviewt und von ihrer ersten großen Story träumt, streift der melancholische Einzelgänger und Filmheld aber allein durch die Straßen und platzt in einen Filmdreh, bei dem er der jüngeren Schwester seiner Ex-Freundin einen Zungenkuss geben darf, der ihn für sie entflammt. Indes tröstet Ashleigh den an der Welt und seiner Unzufriedenheit mit dem eigenen Werk verzweifelnden Pollard und läuft in den Filmstudios Francisco Vega (Diego Luna) in die Arme, der sie im galanten Latino-Macho-Verführerstil à la Antonio Banderas zum Abendessen, auf eine Party und zu sich nach Hause abschleppt.

 

Ärgerlich ist an »A Rainy Day in New York« nicht nur, dass die Handlung nervt. In »Blue Jasmine« von 2013 zeigte Woody Allen noch Empathie und Interesse für eine Frauen­figur, Cate Blanchett spielt darin grandios eine Frau, die aus der Oberschicht abrutscht. Doch in seinem neuen Film ist davon nichts mehr übrig. Die Frauenfiguren sind ausnahmslos lieblich inszeniert und von einer unglaublichen Naivität oder aber schlicht hysterisch. Wie Elle Fanning beinahe den ganzen Film über unbeholfen im Minirock, mit Schmollmund sowie Block und Bleistift die laszive Journalistin in spe mimt, die der großen Story hinterherstolpert, ist schwer zu ertragen. Überwältigt von all den Celebrities, auf die sie trifft, stammelt Fanning ständig unbeholfen und fasziniert vor sich hin.

Jahrzehntelang inszenierte Allen junge Frauen als Leinwandmusen, denen die Männer erliegen. Von der mittlerweile völlig von Zwischentönen oder Untergründigem befreiten Stilfigur der jungen Frau, die einem älteren erfahren-erfolgreichen Mann verfällt, konnte Allen wohl nicht lassen. Dass er mit seinem abgeschmackten Drehbuch jedoch auch noch Roman Polanski und sich selbst verteidigen will und nahelegt, es handle sich bei seinem Kollegen und ihm um liebenswerte, dem Alkohol zugeneigte Genies, ist der Gipfel.

Die Dialoge zwischen Männern und Frauen sind hohl, die Filmszenen einfältig, etwa wenn Drehbuchautor Davidoff seine Frau beim Fremdgehen ertappt und zur Rede stellt; ein Bekannter Gatsbys will seine Verlobte verlassen, weil sie zu schrill lacht, und die Mutter des Filmhelden gesteht ihrem Sohn empört, schuldbewusst und unter Tränen, dass sie selbst aus dem Rotlichtmilieu aufgegabelt worden sei, als er eine Edelprostituierte auf einer Familienfeier anschleppt. Die angedeutete Identitätssuche der Figuren wird aufdringlich erzählt, bleibt aber völlig unglaubwürdig und scheint nur da zu sein, um der eigentlichen Schmonzette einen schein­bar tieferen Sinn zu geben.

Während die Schauspielerin Adèle Haenel mit ihren offenen Worten über eine sexuelle Drangsalierung durch den Regisseur Christophe Ruggia in einer Fernsehshow und in der Liberation Anfang November die Diskussion um sexuelle Belästigung in der Filmbranche in Frankreich neu entfacht hat, scheint die Me-too-Debatte in den USA zumindest bei Woody Allen keine Spuren von Selbsterkenntnis hinterlassen und schon gar nicht Läuterung ausgelöst zu haben, sondern nur Trotz. In dieser Hinsicht ist sein Film im verregneten New York, in dem Frauen ungefähr so viel Charakter haben wie die Tischgarnituren auf den Partys der High Society, fast schon wieder retro.

A Rainy Day in New York. USA 2019. Drehbuch und Regie: Woody Allen. Darsteller: ­Timothée Chalamet, Elle Fanning, Selena Gomez, Jude Law, Diego Luna, Liev Schreiber