Kohl bleibt Kanzler

Waigel will nicht mehr Waigel sein. Was Europa als Synonym für den deutschen Griff nach der währungspolitischen Dominanz kennengelernt hat, das soll nach dem Willen der CSU künftig das Markenzeichen für die Außenpolitik der BRD sein. Zwar verkündete Weigel selbstbewußt: "Ich traue mir jedes Amt zu", doch es ist offensichtlich, daß der Bayer einen alten, noch aus den Zeiten eines Franz Josef Strauß stammenden Traum seiner Partei wahr machen und die FDP im Außenamt beerben will.

Spätestens zur Bundestagswahl im Oktober 1998, hat Waigel angekündigt, hält es ihn nicht mehr auf dem unattraktiven Sessel in Bonns Graurheindorfer Straße. Am liebsten wäre es ihm offenbar, jetzt gleich ins Außenamt umzuziehen. Eine Woche, bevor er seinen Willen zum Wechsel bekundete, hatte Waigel bereits angemahnt, die seiner Ansicht nach anstehende Kabinettsumbildung alsbald durchzuführen.

Dabei hatte Waigel - anders als Strauß seinerzeit - bislang wenig Ambitionen gezeigt, sich als Außenpolitiker zu profilieren. Offensichtlich war es in allererster Linie die Amtsmüdigkeit, die ihn trieb und weniger die Begeisterung für ein mögliches anderes Ressort. "Neun Jahre Finanzminister sind genug", stöhnte der gestreßte CSU-Chef dem Interviewer vom Bayerischen Rundfunk ins Mikrofon.

Doch Waigel dachte nicht nur an die eigene Bequemlichkeit, sondern auch an den Wahlkampf der Gesamtpartei. Während sich die FDP in aller Ruhe als Partei der Steuersenkung und der großen Lenker der Außenpolitik profilieren kann, bleiben für die CSU neben dem wenig öffentlichkeitswirksamen Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit lediglich die Buhmann-Ressorts Finanzen und Gesundheit sowie Bötschs Postministerium, das nach vollzogener Privatisierung auf seine Auflösung wartet. Keine guten Voraussetzungen, um im Wahlkampf zu glänzen.

Je stärker die FDP den Bundestagswahlkampf auf das Thema Steuern zuspitzt, desto mehr hat der Finanzminister in diesem Wahlkampf zu verlieren. Aus diesem Grunde will Waigel den Posten so schnell wie möglich loswerden - am liebsten würde er natürlich einen FDP-Mann an der exponierten Stelle sehen, um dann gegen den ungeliebten Koalitionspartner einen Wahlkampf nach dem Muster "die stärksten Kritiker der Elche ..." führen zu können. FDP Generalsekretär Westerwelle lehnte denn auch umgehend einen Tausch des FDP-geführten Außenministerums gegen ein anderes Ressort ab.

Auch in der CDU sieht man das Gedrängel zwischen den beiden Juniorpartnern der Bonner Koalition um die besten Startplätze im Kabinett beim Rennen um die Wählergunst nicht gern. Aus der zweiten Reihe kamen deutliche Töne. "Eine Mischung aus mangelnder Professionalität und Amoklauf", nannte ein CDU-Abgeordneter Waigels launische Bekenntnisse. Kohl selbst versuchte zu beschwichtigen und ließ verlauten, er sei schon seit längerem über die Pläne seines Noch-Finanzministers informiert. Doch kurz danach bestritt Waigel, überhaupt konkrete Rücktrittspläne zu hegen. Auch nach 1998 könne er sich einen Finanzminister Waigel vorstellen.

Doch Waigels versuchter Rückzug kam zu spät. Die Personalspekulationen sind in vollem Gang. Und der Ruf ertönt: Kohl ist in Zugzwang!