Stütze und Auto? So einfach geht's!

Sozialhilfe ist ein verbrieftes Recht. Aber auch wer davon wegkommen will, braucht ein paar Starthilfen

Das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ist restriktiv und wird von Reform zu Reform verschlechtert. Manchmal ist es aber auch besser als sein Ruf, besser jedenfalls, als die Verantwortlichen wahr haben wollen. "Optimierungsgefahr" heißt bei FDP und CSU, die in dieser Frage ausnahmsweise zusammenarbeiten, wenn Sozialhilfeberechtigte ihre Rechtsansprüche rigoros durchsetzen. Wenn das jeder täte, so FDP-Bundestagsabgeordneter Wolfgang Wenk, sei der Sozialstaat am Ende - und der Abstand zu Beschäftigten aus unteren Lohngruppen womöglich nicht mehr gewahrt.

Jungle World faßt im Folgenden einige Kernpunkte eines Sozialhilfeleitfadens zusammen, den die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen in Bielefeld erstellt hat, um den gesetzlichen Rahmen des BSHG deutlich zu machen und vor Behördenwillkür zu schützen.

Gemeinnützige Arbeit

Wer Sozialhilfe bezieht, ist verpflichtet, Arbeitsgelegenheiten anzunehmen, die die Kommunen bereitstellen. Wer das verweigert, bekommt automatisch sofort 25 Prozent weniger. Wenn es sich bei der Arbeit um sogenannte Prämienarbeit handelt (1,50 bis drei Mark pro Stunde zusätzlich zur Sozialhilfe), also zu vermuten ist, daß hier mit Billigstarbeitskräften tariflich bezahlte Stellen im Öffentlichen Dienst eingespart werden sollen, sollten Sie sich bei den Gewerkschaften erkundigen und gegebenenfalls Widerspruch einlegen. Sie dürfen nicht verpflichtet werden, Arbeiten zu übernehmen, die zu den Regelaufgaben der Kommunen gehören. Das wäre offene Zwangsarbeit und nach Artikel 12, Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes verboten. Ebensowenig brauchen Sie einen Einsatz anzunehmen, mit dem die Kommune unlauteren Wettbewerb gegenüber privaten Anbietern übt.

Auf jeden Fall sollten Sie eine Erklärung darüber verlangen, wie lange der Arbeitseinsatz dauern und wie es danach weitergehen soll. Denn Prämienarbeit darf nicht länger als drei bis sechs Monate gehen, und es muß deutlich werden, daß die Wiedereingliederung auf den sogenannten ersten Arbeitsmarkt erleichtert wird. Darüber hinaus muß schriftlich festgehalten und vor der Aufnahme der Arbeit bekannt sein, wo der Einsatz erfolgt, wer weisungsbefugt ist, welche Arbeit konkret wann, wo und wie geleistet werden soll sowie wer die Kontrolle über Arbeitszeit und -leistung hat. Der Einsatz unterliegt der betriebliche Mitbestimmung des Personal- oder Betriebsrats. Ein Widerspruch hat aufschiebende Wirkung.

Arbeitsverpflichtung

Sozialhilfe erhält nur, wer bereit ist, auch zu arbeiten. Ausnahme: Schwangere oder Alleinerziehende mit Kindern bis zu drei Jahren, Antragsteller mit pflegebedürftigen Angehörigen, Kranke (mindestens drei Monate), Erwerbsunfähige und Rentner. Dabei gibt es keine Regelungen darüber, welche Arbeit unzumutbar ist. Es gilt jedoch, daß Sie einen Job nicht annehmen müssen, wenn die Arbeit körperlich, geistig oder seelisch zu schwer ist, die künftige Ausübung Ihres bisherigen Berufs unverhältnismäßig erschwert oder sitten-, gesetzeswidrig oder gesundheitsgefährdend ist. Außerdem brauchen Sie nicht als Streikbrecher zu agieren, sich längere Zeit von Ihrer Familie zu trennen oder gleich nach der Berufsausbildung eine berufsfremde Tätigkeit anzunehmen.

Wenn Sie sich aus anderen Gründen weigern, Ihrer Arbeitspflicht nachzukommen, kürzt das Sozialamt die Leistungen und lädt Sie zum Gespräch. Als Anhaltspunkte für eine Weigerung interpretiert es dabei erfahrungsgemäß, wenn Sozialhilfebeziehende sich nicht beim Arbeitsamt arbeitssuchend melden, auf Vermittlungsversuche nicht reagieren und sich nicht zusätzlich bewerben. Wenn das Amt von Ihnen verlangt, daß Sie in Eigeninitiative einen Arbeitsplatz suchen, sollten Sie vorher einmalige Leistungen für Kleidung, die für Vorstellungsgespräche angemessen ist, Briefpapier, Kopien, Paßfotos, zusätzliche Telefon- und Fahrtkosten sowie für eigenes Werkzeug, falls das für den Beruf Voraussetzung ist, beantragen. Zudem können Sie Ihre eigenständige Arbeitssuche beispielsweise durch die Ausdrucke des Stellen-Informationsservices beim Arbeitsamt dokumentieren.

Unterhaltsverpflichtung

Verpflichtet, den sozialhilfebedürftigen Partner zu unterstützen, sind nur Ehefrauen und -männer sowie Partner in eheähnlichen Gemeinschaften. Wenn beide sozialhilfeberechtigt sind, erhält einer den Regelsatz für den Hausvorstand, der andere den eines Haushaltsangehörigen, beide zusammen also weniger, als sei jeder für sich selbst verantwortlich.

Aber wenn Sie verschweigen, daß Sie eine eheähnliche Beziehung haben, wird das Sozialamt Sie zu einem Gespräch einladen und eine Erklärung fordern. Bevor Sie antworten, sollten Sie sich Argumentationshilfen abholen. Als eheähnliche Gemeinschaft gelten nur Beziehungen zwischen Mann und Frau, die von "inneren Bindungen" geprägt sind. Beide müssen füreinander einstehen und aus einem gemeinsamen Topf wirtschaften. Sie können die eheähnliche Gemeinschaft jederzeit auflösen, ohne daß einer aus der Wohnung ausziehen muß. Beispielsweise, indem sie Ihr Einkommen ausschließlich für sich selbst und Ihre Verpflichtungen ausgeben und sich weigern, den Partner zu unterstützen.

Ähnliches gilt für WGs, die nur als Haushaltsgemeinschaften gelten, wenn sie gemeinsam wirtschaften. Eine gemeinsame Küchen- und Badbenutzung reicht nicht aus, um Mitbewohner zur Verantwortung zu ziehen.

Auto und Sozi

Wer Sozialhilfe bezieht, darf in der Regel kein Auto haben. Ob Sie sich daran halten, kann das Sozialamt über den Datenabgleich mit der Kfz-Stelle kontrollieren. Wenn Sie das Auto behalten wollen, müssen Sie nachweisen, daß der Verkauf nicht zumutbar ist und sie die Unterhaltskosten aufbringen können. Als Anhaltspunkte, daß Sie unbedingt ein Auto brauchen, gelten Berufe, in denen Sie nicht ohne auskommen, weite Entfernungen zum Arbeitsplatz, die nicht per Bus oder Bahn bewältigt werden können, und ungünstige Arbeitszeiten wie bei Schichtarbeit. Darüber hinaus müssen Sie Ihr Auto nicht verkaufen, wenn ein Familienmitglied behindert ist oder Kinder zum Kindergarten gefahren werden müssen. Wenn Sie arbeitslos sind, sollten Sie erklären, daß Sie laufend zu Bewerbungs- und Vorstellungsgesprächen fahren und sich Informationen über die Wiedereingliederung ins Arbeitsleben beschaffen müssen.

Um den Unterhalt zu bestreiten, müssen Sie nach Ausweichmöglichkeiten suchen, da Benzin, Steuern und Versicherung nicht als Sozialamtsleistungen vorgesehen sind. Als Alleinerziehende können Sie versuchen, Mehrbedarf zu beanspruchen, weil das Auto Ihren Alltag wesentlich erleichtert. Sie können sich aber auch von Freunden oder Verwandten unterstützen lassen. Am einfachsten ist es, wenn das Auto nicht Ihnen gehört, sie es aber zum Fahren überlassen bekommen.

Der Leitfaden kostet 6 Mark plus 1,50 Versand, gegen Verrechnungsscheck oder Zehnmarkschein (Rest wir in Briefmarken erstattet). Zu bestellen bei der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen, Marktstr. 10, 33602 Bielefeld