Braungebrannter Bergfex

1993 hatte die FPÖ eine Idee: Jeder dritte österreichische Haushalt sollte eine Kopie des neuen Haider-Videos besitzen
Alles war so schön geplant. Im Herbst 1994 - Wahlen zum österreichischen Nationalrat standen an - sollte eine ungeheure Propagandawelle aus Asien über Österreich hereinbrechen und Jörg Haider zum Bundeskanzler machen.

Doch es kam alles ganz anders. Irgendwann im Sommer 1993 hatten Mitarbeiter im Wahlkampfstab des blauen Führers eine vermeintliche Königsidee gehabt. Der angehende österreichische Bundeskanzler sollte in jedem dritten österreichischen Haushalt persönlich präsent sein: auf Video als ewig braungebrannter Bergfex und joggender Parteiführer, in einem achtminütigen Heldenepos mit dem Titel "Ein Mann geht seinen Weg".

Doch wer kann so schnell, so billig den Führer in Szene setzen? Gernot Rumpold, enger persönlicher Wahlkampfberater Haiders und Leiter der parteieigenen Werbeagentur FP 98, ignorierte ganz einfach die ewige Hetze seines Mentors gegen "billige ausländische Arbeitskräfte", die den Österreichern die Arbeitsplätze wegnehmen würden und tingelte sogar bis nach Hongkong, um die Operation "Haider-Video" besonders kostengünstig durchzuführen. Dort bot man den Freiheitlichen den Sensationspreis von einem Dollar pro Videokopie. "Kein Videowerk in Europa konnte uns die Kapazität zur Produktion von einer halben Million Kassetten anbieten. Deshalb wichen wir nach Fernost aus", freute sich Wahlkampfmanager Rumpold über seine Wahl und die vielen billigen Arbeitskräfte.

Im Jänner 1994 drehte dann ein Linzer Filmregisseur in der Winterlandschaft des von Haider bewohnten und 1938 arisierten Bärentals in Kärnten und in der Steiermark den Wahlfilm mit der einen Hauptbotschaft: Im Jahr 1998 wird Jörg Haider Bundeskanzler sein.

Schon drei Monate später lieferte Hongkong. 500 000 Kopien landeten per Schiff via Amsterdam in Österreich und wurden rasch verteilt. "Im Prinzip war das damals als Gag gedacht", erklärte Rumpold gegenüber Jungle World, "wir wären die ersten gewesen, die praktisch eine Postwurf-Video-Sendung gemacht hätten." Doch die anbrandende Propagandawelle endete in einem Desaster. 90 Prozent der Videos waren nämlich durch einen plötzlich aufgetretenen Magnet- und Aufzeichnungsfehler unbrauchbar geworden. Mit einem Millionenaufwand mußten die Videos von den verärgerten Anhängern wieder eingesammelt, an die Zentrale gesandt und neu bespielt werden. Niemand in Österreich hätte sehen können, wie Jörg Haider 1998 Bundeskanzler wird.

Zudem fiel auch der Hauptsponsor des Videotapes aus. Der Geschäftsführer von Reebok Austria, Michael Schlabitz, wurde von seiner Funktion zurückgezogen. Der Manager, ein enger Freund von Gernot Rumpold, hatte nämlich das Video zu offenkundig gesponsert. Ob auch Geld geflossen ist oder nicht, der joggende Haider hielt in dem Video seine Reebok-Jogging-Schuhe zu deutlich in die Kamera. Rumpold: "Wie Sie gemerkt haben werden, spricht man nicht viel in diesem Video. Das ist einfach ein dynamisches Video, das einen dynamischen jungen Politiker zeigt, wie er seinen Weg nach oben macht. Der Sport ist das Transportmittel dafür." Doch Reebok International war die Sache etwas zu dynamisch geworden. Auf Druck des amerikanischen Mutterkonzerns mußte sich Reebok Austria zurückziehen. Rumpold nimmt seinen Kumpel auch heute noch in Schutz und erklärte gegenüber Jungle World, der Verweis auf die Unterstützung der Firma Reebok im Abspann sei seine, Rumpolds, eigene Idee gewesen: "Die Reebok-Leute auf internationaler Ebene haben geglaubt, Schlabitz habe den Auftrag gegeben. Das war nicht so, wir haben das auch klargestellt. Aber sie haben ihn trotzdem rausgeschmissen."

Ende des Jahres 1994 hatte das Hongkong-Abenteuer der FPÖ rund eine Million Mark, ein Fünftel des gesamten Wahlkampfbudgets für den Nationalratswahlkampf gekostet, und Jörg Haider war wieder einmal nicht Bundeskanzler geworden. Im nächsten Jahr will er es erneut versuchen. Und schon jetzt werden wieder massenhaft Kopien des Videos verteilt - nach wie vor mit der Danksagung an Reebok.

Wenn es diesmal wieder nicht klappt, können sich die Puritaner unter Haiders Parteikameraden darauf berufen, das Desaster vorausgesagt zu haben. Der ehemalige Chefredakteur des Parteiblattes Neue freie Zeitung und heutige österreichische Botschafter im Irak, Walter Howadt, hatte schon vor Jahren in einem anderen Zusammenhang gewarnt, daß Braun und Geld doch nicht zusammenpassen würden: "Am Ende haben alle leicht geschlitzte Augen und eine milchkaffeebraune Haut."