Wehe, wenn Schlingensief kommt

Von einem, der auszog, die Zimbabwer das Filmen zu lehren

Wenn man Wolfgang Pfeiffer heute, am Ende seiner fünfjährigen Arbeit beim zimbabwischen Informationsministerium, danach fragt, ob er erfolgreich war, erhält man eine eher skeptische Antwort. Vielleicht 20 Prozent dessen, was er sich hier hätte vorstellen können, ließ sich auch tatsächlich verwirklichen, 80 Prozent versickerten in den Mühlen der zimbabwischen Bürokratie.

Ein ernüchterndes Fazit für einen Filmproduzenten, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere "die Wahl hatte zwischen Hollywood und Zimbabwe", wie die Deutsche Welle behauptet. Wolfgang Pfeiffer lieferte in Deutschland Filme für den Kulturweltspiegel, produzierte Kinderserien und hatte 1992 gerade eine Oscar-Nominierung in der Rubrik "Bester fremdsprachiger Film" für die isländische Produktion "Children of Nature" erhalten, als er von der Möglichkeit hörte, in Zimbabwe als eine Art Entwicklungshelfer in Sachen Film tätig zu werden. Als Geldgeber fungiert in solchen Fällen die Zentralstelle für Internationale Migration (CIM), welche deutschen Fachkräften, die in Entwicklungsländern tätig sind, einen Zuschlag auf ihr lokales Gehalt zahlt.

Ohne Einschränkungen, mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet, sollte Pfeiffer sowohl das Know how der zimbabwischen FilmautorInnen und der Kameraleute verbessern helfen als auch das Filmland Zimbabwe international bekannter machen und Auslandsproduktionen ins Land holen. Immerhin steht in Zimbabwe das neben Südafrika einzige Filmkopierwerk südlich der Sahara.

"Zimbabwische Filme übermitteln zumeist Botschaften, erzählen keine Geschichten, die Leute sind gefangen in einer sozialen Hierarchie, in der der einzelne nichts, die Gesellschaft alles ist, jegliches Engagement das Gefüge, in das man eingebettet ist, ins Wanken bringt", sagt Pfeiffer. Als 1995 der - nicht von ihm produzierte - Film "Flame" auf dem Filmfestival in Cannes lief, gab es in Zimbabwe Ärger. In "Flame" geht es um den Unabhängigkeitskampf im kolonialen Rhodesien, und dabei werden auch Vergewaltigungen unter den Mitgliedern der Freiheitsbewegung thematisiert. Ein Tabubruch, wie er schlimmer nicht sein konnte.

Auf einem von Pfeiffer ausgeschriebenen Wettbewerb für kreatives Drehbuchschreiben traf überraschend eine überwältigende Anzahl von Einsendungen ein. "Von 500 Zuschriften handelten 350 von Aids. Die Leute haben, bevor sie ans Schreiben gingen, überlegt, was könnte den Initiator des Wettbewerbs interessieren - und das mußte einfach Aids sein." Was in Deutschland die staatliche Filmförderung ist, sind in Zimbabwe die ausländischen Geldgeber, und deren Interesse gilt eben der Aidsbekämpfung." Zu diesen Schwierigkeiten kamen die bürokratischen Zwänge: "Wenn du die Finanzierung für einen Film auf die Beine stellen willst, muß es schnell gehen. Wenn du dann erst noch etliche Gremien konsultieren mußt, weil sie sonst das Ganze kippen könnten, dann ist die Geschichte gestorben."

Sowohl in der technischen Ausbildung wie auch in einer Steigerung der Auslandsproduktionen konnte Pfeiffer trotzdem Erfolge vorweisen. Bis Christoph Schlingensief 1994 kam und die Probleme zunahmen. "Gleich zu Beginn hatte ich das Gefühl: Schlingensief in diesem Land, wo Frauen auf offener Straße verprügelt werden, weil sie zu freizügig herumlaufen, das kann nicht gutgehen." Pfeiffer fuhr in Urlaub, und von dort erreichten ihn dann auch bald beunruhigende Nachrichten. Eine Sekretärin, die von Schlingensief gekündigt worden war, rannte zum Geheimdienst und verbreitete, der deutsche Regisseur würde rassistische und pornographische Dinge drehen. Darauf angesprochen, willigte Schlingensief in eine Sichtung der bereits gedrehten Filmrollen für den nächsten Tag ein.

In der Nacht wurde allerdings im Kopierwerk eingebrochen und das ganze Material lag plötzlich in der deutschen Botschaft. Mit dem Argument, das Material sei Eigentum der Bundesrepublik Deutschland - wegen der deutschen Filmfördergelder -, rückte der Botschafter nur harmloses Material heraus und verschickte den Film als Botschaftsgepäck nach Deutschland. Der Konflikt spitzte sich zu, die Filmcrew wanderte für drei Tage ins Gefängnis. Pfeiffer, der bei der Botschaft schon unbeliebt war, weil von ihm gedrehte und im Goethe-Institut gezeigte Filme nach deren Ansicht dem Ruf der BRD geschadet hätten, wurde zum Sündenbock. Als er aus dem Urlaub zurückkehrte, erhielt er seine Kündigung von der CIM - mit der Begründung, er sei einer illegalen Nebenbeschäftigung nachgegangen.

Nach drei Jahren wollte die CIM Pfeiffer kaltstellen, um sein Engagement in Zimbabwe zu beenden. "Weil die Leute vom Geheimdienst wußten, wer wirklich hinter der Geschichte steckte, konnte ich aber noch bis Anfang 1997 meinen Vertrag mit dem Informationsministerium erfüllen, für das ortsübliche Gehalt, ohne finanzielle Unterstützung aus Deutschland." Mit der CIM kam es inzwischen zu einem Vergleich, und mit Schlingensief hat Pfeiffer mittlerweile auch keine Probleme mehr: "Wer mit dem zusammenarbeitet, muß eben mit allem rechnen." Bevor Pfeiffer demnächst in Zimbabwe seine Koffer packt, schreibt er derzeit an einem Drehbuch für Helmut Dietl. "Wenn ich in der Bundesliga spielen kann, warum soll ich unter diesen Umständen in der Kreisklasse bleiben?" sagt Pfeiffer dazu.