Gießkannen schleppen

Trotz der rückläufigen Besucherzahlen auf dem diesjährigen Rummelplatz der Unterhaltungselektronik ist die Internationale Funkausstellung IFA immer noch ein drängeliger Publikumsauflauf der enervierenden Art. Denn weil der normale Mulitmedia-Konsument zumeist nicht kommt, um die freigelegten elektronischen Innereien einer High End-Anlage zu bestaunen, sondern eher um das gutgeschminkte Äußere von Fernsehstars anzugucken, präsentiert sich vor allen Dingen dieses Medium auf der IFA.

Das hier absolvierte Channel-Zapping zu Fuß ist sicher gesünder als das zu Hause auf dem Sofa, aber auch anstrengender, denn so einfach per Knopfdruck kann man den medialen Grausamkeiten auf der Funkausstellung nicht entrinnen.

Da auch den Ausstellern klar ist, daß die Technikfetischisten in der Minderheit sind, bieten sie jede Menge Lockmittel auf, um Besucher zu ergattern. Neben Tonnen von Werbemüll, ausgefallenen Autos und langbeinigen Hostessen wird auch gern zur Prominenz gegriffen, die ruhig auch etwas abgehalftert sein darf, Hauptsache, sie ist noch in der Lage, Autogramme zu schreiben. Scheinbar wird jeder zwangsverpflichtet und sei es auch nur der leicht somnambul näselnde Pro 7-Nachrichtensprecher Wolfgang Klein, der hier mit aus seiner langjährigen Tätigkeit als ARD-Auslandskorrespondent antrainierten Stoik ebenso tapfer seinen Namenszug kritzelt wie er alltäglich gegen das Quotentief seiner Sendung ankämpft. Die jugendlichen Fans des Arabella-Senders scheint das kaum anzufechten, nach der Devise "Promi ist Promi" werden auch seine Unterschriften fleißig eingesammelt, und sei es nur, um später die Oma mit dem Namenszug eines 50jährigen, der dreinschaut wie eine bekiffte Robbe, zu beglücken.

Wenn man die mit zig Tüten behangenen Familieneinheiten sieht, dann kommt unweigerlich das Gefühl auf, daß es sich bei dem Spektakel in Wirklichkeit um eine große Konkurrenz im Werbegeschenke abgreifen handelt. Das Eintrittsgeld, immerhin 22 Mark, muß schließlich wieder hereingeholt werden. Ausstellungsstücke klauen ist allerdings schwierig, deswegen muß man das nehmen, was die Hersteller freiwillig hergeben oder auch nicht.

"Die Leute haben mir sogar meine Privatkulis aus der Hand gerissen, während ich noch schrieb!" empörte sich schon vor zwei Jahren eine Hostess über den notorischen Zugreifreflex der Messebesucher. In diesem Jahr scheinen die Aussteller jedoch reagiert zu haben, sie schrieben, so ist zu vermuten, einen hochdotierten internen Wettbewerb aus. Darin ging es darum, in möglichst hohen Stückzahlen das lächerlichste Werbegeschenk herzustellen, was an sich nicht schwierig ist. Einen Haken hatte die Sache allerdings: Gewinnen konnte nur, wessen peinliches Gratismuster auch wirklich reichlich und gut sichtbar vom Publikum weggetragen wurde. Der Sieger stand, für jeden offensichtlich, schon nach wenigen Tagen fest: Die japanische Firma Fujitsu. Sie hatte sperrige weiße Gartengießkannen mit dem Aufkleber "We grow your business!" bepatscht (der im Kleingedruckten für die Freunde der deutschen Sprache fragte: "Heute schon jemanden nassgemacht?") und Familie Stulle-Berliner sowie ihre Besucher schleppten das Teil und noch eins für Opa, Onkel Willy und Herrn Kasulke von nebenan begeistert durch die Ausstellungshallen.