Infostand

Wenn man einen Infostand in der Innenstadt machen muß, dann kommt garantiert jede Knalltüte, die in der Stadt oder in den Außenbezirken wohnt, an genau diesem Tag vorbeigelatscht und sabbelt einem das Ohr ab. Selbst Frau Holtenbrink, meine frühere Nachbarin, blieb wie angenagelt bei mir stehen - "Wie sehn Sie denn aus - oder warn Sie beim Frisör?" - und versah mich mit Kommentaren zu Gott und der Welt und zum Tode Lady Dis: "Schade isses ja, aber so nobel gibt nich jeder 'n Löffel ab. Mercedes 600!"

Der Sohn von Frau Holtenbrink hatte besagten Löffel bereits vor einem oder zwei Jahren abgegeben, als er mit dem alten und dazu noch von einem Kumpel "ausgeliehenen", was ein Euphemismus für "geklaut" ist, also mit einem alten Opel Ascona "verkehrtrum" (Originalton Frau H.) in den Elbtunnel hineingefahren war. Die Versicherung hatte nichts gezahlt, weil Dieters Führerschein verschütt gegangen - also auf irgendeiner Polizeiwache schon vorher in Gewahrsam genommen worden war. Jetzt hat Frau Holtenbrink die Kinder, weil ihre Schwiegertochter ebenfalls verschütt gegangen ist und zwar mit einem Anwaltsgehilfen, "an dem ja patuh nix dran ist", wie Frau Holtenbrink damals mehrfach betonte. Nun ja, das kann man nie genau wissen; man steckt ja nicht drin.

Als ich sie endlich abgewimmelt hatte, kam gleich die nächste. Die war auch nicht mehr jung und ziemlich blond und aufgeregt: Sie war mit Elisabeth zur Schule gegangen, und als sie das Abitur machten, ging Elisabeth ja schon mit Jürgen. Jürgen und sein bester Freund Horst holten sie immer zum Tanzen ab, und dann hat sie Jürgen geheiratet. "Und ist immer noch mit dem verheiratet! Alleine, wie der aussieht!" Das konnte ich bestätigen, ich kenne Jürgen nämlich. Und Horst leider auch. "Und wie Horst aufgestiegen ist, da hat er Jürgen nicht mitgenommen, jetzt hat der immer Schaum vorm Mund." Horst ist ein bekannter Politiker, deshalb habe ich die Namen geändert, sonst kriege ich womöglich noch eine Klage an den Hals. Die kriegte ich sowieso beinahe, weil noch ein Polizist kam und meine Standgenehmigung sehen wollte. Die hatte ich sogar dabei, aber er hielt sie seitenverkehrt und behauptete erst mal, daß ich von Rechts wegen auf der anderen Straßenseite stehen müßte. Danach schauten noch die üblichen Männer vorbei, die es auch an den Augen hatten: "Na, so allein, junge Frau?"

Beim Abbauen des Standes hätte ich alle diese Leute gut gebrauchen können.