Hubert Wimber von Münster grüner Polizeipräsidenten

Mit Grün auf Nummer Sicher

Was treibt einen grünen Politiker dazu, Polizeipräsident zu werden?

Ich wurde als politischer Beamter auf nordrhein-westfälischer Landesebene eingesetzt. Wenn wir Regierungsverantwortung tragen wollen, heißt das eben auch, Funktionen zu übernehmen, die nicht traditionell zu den grünen Politikfeldern zählen.

Auch ihre Partei will sich jetzt mehr im Diskurs um die Innere Sicherheit einbringen. Die Bundestagsfraktion hat ein Konzept vorgestellt, in dem unter anderem die Entkriminalisierung des Drogenkonsums gefordert wird. Können denn Junkies in Münster künftig auf einen anderen Umgang hoffen?

Ich bin kein Rechtspolitiker, sondern Leiter einer Behörde, die einen gesetzlichen Auftrag hat. Ich teile allerdings die Auffassung einer Mehrheit meiner Kollegen quer durch alle Parteien, daß Strafverfolgung allein das Drogenproblem nicht bewältigen kann.

Ihre Bundestagsfraktion nimmt den Mund sehr voll, wenn es um Kritik an der bisherigen Politik der Inneren Sicherheit geht. Ob Telefonüberwachung, Rasterfahndung oder Verdeckte Ermittler, schenkt man dem grünen Programm Glauben, müßten diese Maßnahmen abgeschafft werden....

Man ist natürlich gezwungen, sich an den Fakten zu orientieren. Aber im Einzelfall werde auch ich darüber nachdenken, ob der Ermittlungszweck den Eingriff in die Grundrechte, die er hervorruft, auch rechtfertigt. Beim Großen Lauschangriff beispielsweise halte ich das nicht mehr für gewährleistet.

Werden sie dennoch nach dem verabschiedeten Gesetz handeln?

Sicher, sollte der Lauschangriff gesetzlich kodifiziert werden, wird das natürlich auch zu einem Ansatz polizeilicher Tätigkeit.

Noch ein letztes Zitat aus der Feder grüner Sicherheits-Experten: "Wir halten eine Abrüstung des polizeilichen Ermittlungsarsenals auch aus rechtsstaatlichen Erwägungen für dringend erforderlich." Wie erklären Sie das ihren Beamten?

Diese Position ist mir zu apologetisch und unvermittelt. Will man etwas ändern, muß man sich konkrete Tätigkeitsfelder vornehmen. Zum Beispiel das Problem Polizei und Datenschutz. Das Schlagwort "Abrüstung" hat für mich einen anderen historischen Zusammenhang. Damit kann ich in dieser Form wenig anfangen.

Derzeit rangiert der sogenannte Sicherheitsdialog zwischen Polizei und Bürgern sehr hoch im Kurs. Überall ist die Rede von einer bürgernahen Polizei. Gibt es denn in diesem Bereich konkrete Erfahrungen?

Nein, dieser Sicherheitsdialog ist ein modernistisches Schlagwort. Etwas traditioneller heißt das, daß die Polizei auch ein Dienstleister in Sachen Konfliktregulierung werden muß. Wir haben viele alltägliche Probleme, in denen es gar nicht darum geht, Straftätern hinterherzujagen. Häufig muß die Polizei einfach präsent sein. Und dort kommt es dann auch zum Dialog mit den Leuten.

Hat die Polizei denn auch dort etwas zu suchen, wo es um Schwarzfahren oder Graffiti geht?

Nein, eigentlich nicht. Aber sie hat nun einmal die gesetzliche Aufgabe, Straftatbestände zu verfolgen. Da gibt es keine Ermessensfragen. Und solange diese Delikte Straftatbestände sind, ist die Polizei dran.

Früher haben Grüne in solchen Fällen auf zivilen Ungehorsam gesetzt...

Nein, nicht auf der Grundlage eines Landesbeamtengesetzes. Da hat der zivile Ungehorsam nichts zu suchen.

Fällt die Blockade von Castor-Transporten auch in den Bereich des Landesbeamtengesetzes?

Bislang ist es ein hypothetisches Szenario, daß Atomtransporte hier, also nach Ahaus, rollen. Wenn dem doch so sein sollte, zolle ich dem friedlichen Widerstand hohen Respekt, will aber eine ganz klare Abgrenzung zur Gewaltanwendung haben. Mit Leuten, die friedlich demonstrieren und so die Transporte verzögern, läßt sich sicher eine Verständigung finden. Die Grenze verläuft da, wo die Transporte verhindert werden sollen.

So oder so, die Gegenaktionen stehen im Widerspruch zu ihrem staatlichen Auftrag. Schließlich geht es den AKW-Gegnern und Gegnerinnen darum, den Preis für den Polizeieinsatz so hoch wie möglich zu treiben, während Sie die Interessen der Atomindustrie mit Hilfe ihrer Beamten durchzusetzen haben.

Das ist natürlich ein Spannungsverhältnis, allerdings würde ich nicht sagen, daß sich die Pole unversöhnlich gegenüberstehen. Ich habe Verständnis dafür, wenn es gelingt, soviele Leute zu mobilisieren, daß die Transporte aus Kosten- und Verhältnismäßigkeitsgründen politisch neu diskutiert werden.

Bislang wurde die Frage der Durchsetzbarkeit durch eine gewalttätige Polizei vor Ort entschieden.

Bei Großeinsätzen kann es zu vielen schwierigen Situationen kommen, bei denen in der Tat dann Leute weggeräumt werden müssen. Es wird sicherlich auch Aggressionen auf beiden Seiten geben. Ich werde versuchen, das im Vorfeld zu minimieren. Beispielsweise, in dem ich mit den Leuten, die den Widerstand organisieren, vorher rede. Und da habe ich es mit meinem grünen Hintergrund vielleicht ein bißchen einfacher.