SM für die Umwelt

Sandra Maischberger moderiert Greenpeace TV und stellt nasenbeinharte Fragen

"Wenn der letzte Kandidat der 100 000 Mark Show verendet, der letzte Gast von Hans Meiser geschändet, wenn bei RTL der letzte Scheiß gesendet ist - dann werdet ihr erkennen, daß man Greenpeace TV nicht essen kann" (Chief Clay Hawkfield). Da sprach der alte Häuptling der Indianer aber mit verhaltener Zunge. Denn der neueste Featuremagazindreck der Kölner Krawallkameraden war bereits beim ersten Mal unverdaulich. Eine knappe Million Zuschauer schätzt die GfK für den 21.September - doch ich will Müsli mit Sojamilch fressen, wenn auch nur die Hälfte von ihnen bis zum Schluß am Ball geblieben ist.

Am Erdball, genauer gesagt. Der steht nämlich, groß und, huch!, aus Schaumstoff (am Südpol, aber bestimmt mit dem Grünen Punkt gestempelt), zentral auf der kleinen Studiobühne. Und jedesmal, wenn die Bildregie, die irgend ein Ingo Helm verantwortet, einen eleganten Umschnitt, bzw. das, was so ein RTL-Knecht dafür hält, nach dem Filmclip hinkriegen will, muß die Kamera von dem Schaumglobus zurückzoomen und auf die Ansagerin schwenken. Und da steht es, das ewige Talent des neudeutschen TV-Journalismus, zierlich und mit einem Gesicht wie drei Nächte geheult, weil die Frau weiß, daß dies ihre letzte Chance ist; und wenn sie den Mund auftut, wird es sein wie immer, es werden Sätze herauspurzeln wie gemeißelt aus zehn Jahrgängen Geo, und gleich dem Kitz im Kakteenhain werden ihre Lippen sein, wund und zitternd, und sie tut mir nicht eine Sekunde leid, i wo - wer nur für zwei Knöpfe Selbstachtung hat, der macht keine Fernsehmagazine, sondern lieber eine honorige Karriere als Kaufhauserpresser - , und immer noch steht sie da, schmal wie die Plakatständer hinter ihr, die Patschhändchen panisch um eine Karteikarte gewickelt, steht bebend da, eine Ikone des Scheiterns, steht und kräht was, o je, meine Maische, mein Saschalein, mein altes Feindbild SM, Frl. Sandra Maischberger. Seit sie entdeckt wurde, vor zirka einem Dutzend Jahren bei Alabama, gilt sie als selbstbewußte, intelligente Interviewerin, als "erfrischende" Ausnahme von den üblichen Fernsehfrauenklonen. Aber selbstverständlich ist auch sie vom ersten Auftritt an dem Grundgesetz des Mediums unterworfen: Das Fernsehen macht aus Menschen Typen und aus Typen Deppen. Obwohl die Welt sich an keine Frage, keinen Halbsatz der kritischen Frontfrau erinnern kann, die das übliche Phrasenmaß transzendiert hätten, wird sie als kritische Frontfrau gehandelt. Der accent liegt auf "Handel". Sie bedient ein Image, dem sie in Wirklichkeit nie, im Trottelmedium TV stets gerecht wurde, und sie bedient es vor allem durch (angeschminkte?) Ringe unter den Augen und strähnige Haare. Kurz, SM paßt zu Greenpeace wie gemalt: Sie wird überschätzt, sie ist kamerageil, und sie nervt.

Die erste offizielle Fernsehsendung der Regenbogenkriecher hebt an mit einem Beitrag der Harald-Schmidt-Show aus der Vorwoche: Als Programm von Greenpeace TV wurde da u.a. präsentiert "Die Rückkehr der Körnerfresser (mit Müs Lee, Henna Lind und Uschi Alt-Glas)". Dann wieder, groß: SM - und sie lacht. D.h., sie versucht es, sie gibt alles, um ein Lachen auf ihre Züge zu zwingen, und das ist beileibe ein hartes Stück Arbeit für dies gramzerfältelte Gesicht. Ja, hier wird's bierernst schon nicht zugehen, wollen der Opener und die grienende Conférencière uns vorflunkern; aber beide haben den Humor nur geborgt. Schon zwei Sekunden später desavouiert SM sich aufs bräsigste: "Wir nehmen das als Anregung - vor allem das." Einen Scheiß werdet ihr.

Greenpeace TV unterscheidet sich von anderen RTL-Magazinen allein dadurch, daß es sich schämt, ein RTL-Magazin zu sein. Deshalb schwimmen in den drei kleinen Aquarien, vor denen SM jetzt posiert, auch keine Fische - nicht einmal welche mit Blumenkohlgeschwüren und dem Bauch nach oben. Ansonsten alles nach Plan: Technobeat zum Themen-Trailer; statt Interviews nur kürzeste Statements; und in den "Reportagen" eine Kameraführung wie aus dem Geheimkoffer resp. dem Hosenstall. Die energischste und zugleich desperateste Assimilation freilich führt SM vor. Sie verwandelt sich in die Unholdin, den Un-Star schlechthin, sie wird zu Birgit Schrowange. Sie sieht, nach den Einspielungen, vom Monitor auf mit der gleichen leeren Miene wie ihr Life!- und Extra-Vorbild; sie läßt sich als Action-Moderatorin inszenieren (SM fährt den Greenpeace-Ökokarren zur IAA, SM stellt subalternen Autofirmenvertretern nasenbeinharte Fragen zum Dreilitermotor); und sie hütet sich, auch nur eine Zeile, eine Silbe, die der Teleprompter vorschreibt, zu verändern. Wohl, die singuläre Penetranz der Schrowange wird SM schwerlich einholen können - daß sie es überhaupt versucht, zeigt allerdings, daß die Hemm- und Selbstekelschwelle beider sich ziemlich angeglichen hat.

Die Dauerwerbe-Sendung für das Medienunternehmen Greenpeace wird nicht aus Spenden finanziert; es folgt eine Achtminuten-Werbesuppe. Shell fehlt zwar, leider; aber dafür trommeln gleich vier Autofabriken für ihre Ware. Das ist, nach dem Enemenetekel-Feature zum Dreiliterbenziner, ziemlich lustig; zumal da Volvo mit seinem V 40 angibt, einer gigantischen Kiste, in der man einen Blauwal zur Beerdigung fahren könnte oder mindestens eine Herde Berggorillas. Noch lustiger wird es beim letzten Spot, in dem Mitsubishi mit seinem neuen Sparmotor angibt - das durften die listigen Japaner übrigens schon während des IAA-Beitrags. So was nenn ich umsichtige Akquise. Aber da ist wieder der kolossale Globus, Schwenk auf SM (vor den Aquarien), es geht zum Haieschlachten nach Costa Rica, mir langt's. Also ab in die Küche, Fischstäbchen braten; und beim Essen meiner Maische und ihrem sauberen Verein diesen Epitaph gedichtet: "Wir haben das Fernsehen nur von unseren Blinden geliehen."