Fuchs in der Falle

Ein Bombenbauer der Bajuwarischen Befreiungsarmee ist gefaßt - die Strukturen des rechten Terrors in Österreich bleiben unklar

Durch einen Zufall konnte die österreichische Polizei am Mittwoch letzter Woche einen der Hintermänner der Brief- und Rohrbombenserie fassen, der seit 1993 in Österreich und Deutschland vier Menschen zum Opfer fielen und bei der weitere 15 Personen zum Teil schwer verletzt wurden. Zwei Frauen hatten die Polizei gerufen, nachdem sie von einem Autofahrer belästigt worden waren. Als die Beamten den Mann aufforderten, seine Papiere zu zeigen, expoldierte in seinen Händen eine Rohrbombe, daraufhin ergingen sofort Durchsuchungs- und Haftbefehl. "Wir haben einen äußerst gefährlichen möglichen Attentäter verhaftet", sagte Österreichs Innenminister Karl Schlögl auf einer Pressekonferenz drei Tage später, nachdem bei der Durchsuchung der Wohnung des 48jährigen Franz Fuchs in der südsteirischen Gemeinde Galla zahlreiche Beweise gegen den ehemaligen Vermessungstechniker gefunden wurden.

Weil die Hände des Tatverdächtigen zerfetzt sind, konnten keine Fingerabdrücke genommen werden, die Polizei muß diejenigen verwenden, die sie bei der Durchsuchung der Wohnung fand. Dort lagerte reichlich Beweismaterial: Sechs Rohrbomben, 80 Gramm Nitroglyzerin, das ersten Untersuchungen zufolge große Ähnlichkeit mit bisher in Briefbomben gefundenem Sprengstoff hat, und einen zur Sprengfalle umgebauten Blumentopf. Der war mit 1,7 Kilo Nitratzellulose und Metallteilen gefüllt, die bei der Explosion verheerende Verletzungen zur Folge gehabt hätten. Der Sprengsatz ähnelte einer Bombe, die im Februar 1995 im österreichischen Oberwart vier Roma tötete. Dazu paßt auch, daß bei Fuchs das Typenrad einer Schreibmaschine gefunden wurde, mit dem offensichtlich ein Pamphlet zu den Anschlägen von Oberwart und Stinatz verfaßt worden war. Eine zudem sichergestellte Dechiffrieranleitung eignet sich hervorragend zur Decodierung eines der Wochenzeitung Profil zugesandten Bekennerschreibens vom September 1996.

Mit der nun gefundenen Bombe wollte Fuchs, so Ermittlungen der Sonderkommission, die Eröffnungsveranstaltung eines Kulturzentrums in der kleinen österreichischen Gemeinde Radkersburg attackieren. Zu der wurden am 17. Oktober auch die rund 100 Mitglieder des Vereins "Artikel-7" erwartet, dem Slowenen aus der Steiermark angehören und der zu den ersten Empfängern der Briefbombenserie gehört hatte. Bei Fuchs wurden ebenfalls Pläne für eine Buchbombe gefunden. Die Ermittler ließen noch am Freitag eine Warnung herausgeben, da sie nicht sicher feststellen konnten, ob der Sprengsatz schon gebaut und verschickt worden war.

Nun stellt sich die Frage, ob Fuchs allein hinter der "Bajuwarischen Befreiungsarmee" BBA steckt. Diese ist aufgeteilt in verschiedene "Kampfzüge", also ein Zellensystem, in dem die einzelnen Mitglieder weitgehend unabhängig voneinander agieren und sich nicht unbedingt kennen müssen. Was sie jedoch in der Praxis häufig genug tun: Das deutsche Pendant dieser Kampfzüge, die sogenannten autonom-nationalistischen Zellen, pflegen theoretisch die gleiche Vorgehensweise. Doch durch übergeordnete Veranstaltungen wie Seminare, Konzerte, "gau-", landes- und bundesweite Zusammenkünfte sowie durch ein gemeinsames Vorgehen gegen Linke und gegen Menschen ohne deutschen Paß ist die Verbindung untereinander zur Zeit besser denn je. Dasselbe gilt nicht nur für Österreich, sondern insgesamt für neofaschistische Strukturen in ganz Europa. Was auf den ersten Blick als "autonome Zergliederung" erscheinen mag, entspricht - als Kehrseite der gleichen Medaille - der zunehmenden Vernetzung einer zumindest europaweit entstehenden Internationale der Faschisten.

Fuchs jedenfalls konnte zweifelsfrei der Zelle "Friedrich II. der Streitbare, Herzog von Österreich, Vierburgenland und Steiermark" zugeordnet werden, was Fuchs am vergangenen Sonntag nach Angaben der Polzei auch in einem Geständnis bestätigte: Drei Bekennerschreiben zu Bombenanschlägen habe er selbst verfaßt, auf die anderen Zellen der BBA, z.B. die auf anderen Bekennerschreiben genannten Kampftrupps "Starhemberg", "Oadilo" oder "Gerold" gab Fuchs in seinem Teilgeständnis jedoch keinen Hinweis. Antifaschistischen Gruppen ist Fuchs unbekannt, Nachbarn und der Polizei gilt er als isolierter Eigenbrötler. Weil er in den Siebzigern einen Selbstmordversuch unternahm, stellen ihn die konservativen österreichischen Medien schon jetzt als durchgeknallten Einzeltäter dar. Dabei ist nicht sicher, ob Fuchs allein "Friedrich II" angehörte, denn wichtige Betstandteile zum Bombenbau wurden bei ihm nicht gefunden, z.B. fand sich bei der Hausdurchsuchung keine Spur von Silberfulminat, einem ungewöhnlichen und schwer herzustellenden Sprengstoff, der in mehreren vorhergehenden Bomben verarbeitet wurde. Weitere Indizien lassen die Einzeltäter-These als noch unwahrscheinlicher erscheinen: Der Computerdrucker von Fuchs ist nicht mit demjenigen identisch, mit dem die BBA-Bekennerschreiben erstellt wurden. Ein Archiv wurde bei ihm ebenfalls nicht entdeckt, obwohl der Attentäter viel gelesen haben muß, vor allem Zeitungen, Zeitschiften und Broschüren: Der Vizebürgermeister von Lübeck, der vor zweieinhalb Jahren als Empfänger einer Briefbombe getötet werden sollte, wurde in Österreich nur einmal in einer Zeitung erwähnt. Und das in einer kleinen Notiz einer in der Südsteiermark nicht erhältlichen Zeitung.

Daß Fuchs Hintermänner gehabt haben muß, vermuten die Ermittler auch deswegen, weil er seit 1993 kein Einkommen mehr hatte. 1988 kündigte er seinen Job und lebte dann fünf Jahre lang von Gelegenheitsaufträgen, danach war er nicht einmal mehr sozialversichert. Als Spezialist für Materialbeschaffung und Bombenbau füllt "Friedrich II. der Streitbare" - ob nun als Mikrozelle oder in Zusammenarbeit mit weiteren Mikrozellen, als Vorbereiter der Anschläge oder als deren Vollstrecker - genau die Lücke aus, die bisweilen zwischen dem organisierten Rechtsextremismus in Österreich und dem von den Freiheitlichen geschürten "Volkszorn" gegen Ausländer vorhanden war. Die in Österreich seit dem 1. Oktober per Gesetz legitimierte Rasterfahndung - die vom Innenministerium u.a. mit dem Hinweis durchgesetzt wurde, daß nur so den Briefbombenattentätern beizukommen sei - wurde umgehend als voller Erfolg gewertet. So schön kann staatlicher Antifaschismus sein.