Menschenaffen willkommen

Auf dem Esoterik-Kongreß in Bremen wird an menschenfeindlichen Visionen gebastelt

"Neue Zukunftsperspektiven und zukunftsweisende Konzepte zu thematisieren und der Öffentlichkeit zu präsentieren" - das ist laut Kerstin Doty das zentrale Motiv des "ganzheitlich" orientierten Kongresses "Visionen menschlicher Zukunft". Doty ist Pressesprecherin des Organisationsgremiums des "internationalen Zukunftskongresses", zu dem mehr als vierzig "namhafte Wissenschaftler, Ärzte, Biologen, Psychotherapeuten sowie bedeutende Politiker und Unternehmer" nach Bremen in das Congress Centrum eingeladen worden sind. Zusammen mit rund 2 500 esoterisch Engagierten und spirituell Motivierten sollen sie in gediegenem Ambiente und warmer Atmosphäre den "konstruktiven Dialog" über eine "positive Zukunft" führen. Teilnahmegebühr für das Gesamtprogramm: 320 bis 410 Mark pro Person.

Was da genau beredet werden soll, formuliert Annelie Keil vom Kongreßbeirat etwas konkreter: "Wie können wir hier und jetzt eine Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben schaffen, die uns selbst motiviert", fragt die Bremer Gesundheits- und Sozialwissenschaftlerin - und gibt sogleich die Antwort: "Es war und ist wichtig, die innere Welt zu verändern, sich zurückzuziehen und still zu werden im Angesicht dessen, was uns alle umtreibt und unachtsam gemacht hat." Es fehle dabei aber nicht an Analysen, betont sie - fast hätte man das gedacht -, vielmehr fehlten "Visionäre, die praktisch werden und handelnd auf die Suche gehen". Dazu soll der Kongreß Impulse geben. Keil: "Um zu tun, was wir wissen."

Daß dieses Wissen im ganzheitlichen Denken als Versöhnung von Wissenschaft und Spiritualität zu verstehen ist, offenbart die Liste der ReferentInnen. So thematisiert zum Beispiel der Psychologe Paul Watzlawick Sinnfragen ("Wenn die Lösung das Problem ist") und der Religionswissenschaftler Arnold Keyerling referiert über den "Sinn des Ganzheitlichen Denkens". In einem Workshop möchte die "Häuptligsfrau" Red Earth Women "Zeremonien und Rituale der Native-Americans" erlebbar machen, der Begründer der Bioenergetik Alexander Lowen will Wilhelm Reichs Energetik schwingen lassen und die Atemtechnikerin Ilse Middendorf hofft, den Atem "erfahrbar" zu machen. In Roundtable-Dialogen zu Wirtschaft, Arbeit, Bildung und Frauen soll die Versöhnung im "Interdisziplinären" praktiziert werden; unter anderem mit dem Journalisten und Lebensschützer Franz Alt, der zudem darüber philosophieren möchte, ob "wir noch zu retten sind". Die Primatologin Jane Goodall glaubt Ja und prognostiziert "Symbole der Hoffnung".

Also, alles ganz friedlich und kein Grund für Aufregung. Antidemokratische und antiemanzipatorische Konzepte? Kerstin Doty sieht die in den dargebotenen zukunftsweisenden Visionen jedenfalls nicht. "Solche Tendenzen sind uns bekannt. Wir bieten ihnen aber kein Forum", erklärte sie gegenüber Jungle World. Vermutlich sogar im besten Glauben. Vielleicht will man es in dieser Szene aber auch ganz einfach nicht wahrhaben, daß Referenten wie Keyserling und der "Papst" der Homöopathen, Georg Vithoulkas, ebenso wie der Philosoph Rudolf Prinz zur Lippe ein ganzheitliches Denken konzipieren, welches den Menschen in einem hierarchisiert strukturierten Kontext von Natur, Kosmos und Spirituellem definiert und eine determinierte Position zuordnet, legitimiert durch die Gesetze der Natur als auch des Karmas. Auch die Primatologin Goodall entwertet die Bedeutung von Gesellschaft und den Menschen als solchen, der für sie kein soziales Wesen ist, weshalb er sich nicht vom Tier unterscheide. Seit Jahren protegiert sie in ihrem Antihumanismus das "Great Ape Project" des Bioethikers und Euthanasie-Propagandisten Peter Singer und des sogenannten Tierrechtlers Helmut Kaplan. Das Projekt fordert Menschenrechte für Menschenaffen.

Auch von den biologistischen und sexistischen Segmenten ihrer Mitstreiterin Annelie Keil und der Referentin Barbara Rüttings möchte Doty nicht hören. Beide reproduzieren das immanente Motiv von "der Frau" und "dem Mann" im ganzheitlichen Denken, nach dem die Frau von Natur aus friedfertiger, natürlicher und spiritueller und der Mann kämpferischer, städtischer und rationaler sei. Klar, wer das alles nicht sieht oder sehen möchte, sagt auch nichts, wenn man sie auf die Kontakte Franz Alts zur ökologisch-rechtsextremen ÖDP anspricht.

Für das Bündnis "Antivisionen" sind das alles jedefalls Gründe genug, um am 11. Oktober eine Gegentagung zu organisieren. Es soll einer kritischen Reflexion des ganzheitlichen Denkens eine Plattform geboten werden. Am Abend zuvor referieren Jutta Ditfurth und Colin Goldner zum Thema "Esoterik und Faschismus".

Parallel zu dem "internationalen Zukunftskongreß" gibt es für die Esoteriker auch noch ein schönes Kulturprogramm. Frank Siepmann hat die Messe "Natürlich Leben '97" organisiert. Der Herausgeber und Chefredakteur des Esoterik-Magazins Forum initiierte 1994 selbst den Kongreß. Seitdem koordiniert seine "Forum Verwaltungsgesellschaft mbH Verlag & Agentur KG" das alljährliche Spektakel. Auf der Messe informieren weit über 250 Verkaufsstände die erwarteten 15 000 Interessierten über ein ökologisches und ganzheitliches Leben und offerieren die entsprechenden Produkte. Da fehlt natürlich auch eine Öko-Modenschau, moderiert von Birgit Schrowange, nicht. "Es wird ein ganz besonderes Wochenende", versichert Doty und: "Machen sie sich keine Sorgen!"