Tierreich

Christel habe ich jetzt nach einem Jahr wiedergetroffen. Sie wollte schon immer Tierärztin werden. Sie kommt vom Lande und kennt sich total gut aus mit Schweinen und Kühen und Hühnern. Auf der Universität haben sie sie aber bisher nicht genommen, weil ihr Notendurchschnitt zu schlecht war. Da hat sie das Filmen und Schneiden erlernt und kommt mit den Kolleginnen und Kollegen auch gut zurecht, weil sie, wie gesagt, mit Schweinen und Hühnern und Kühen ziemlich viel Erfahrung hat.

Nun hat sie sich doch noch einmal an der Uni beworben, obwohl sie inzwischen dreißig ist, und siehe da - sie wurde zu einem Gespräch eingeladen. Als sie den Prüfungsraum betrat, hingen die Professoren schon völlig genervt in den Stühlen und fragten mit schleppender Stimme und ohne sie anzublicken: "Ihr Schlüsselerlebnis ...?" Christel: "Mein was ...?" - "Ihr Schlüs-sel-er-leb-nis!"

Es stellte sich heraus, daß die Mädels, die vor ihr dran gewesen waren, alle ein Schlüsselerlebnis gehabt hatten und deshalb Tiermedizin studieren wollten. Christel konnte mit nichts dienen. "Und Sie hatten wirklich keinen Wellensittich, der gestorben ist?" fragte einer ungläubig. "Oder ein Pferd?" hakte ein anderer nach. Christel dachte angestrengt nach, überlegte, ob sie eine Schweinepest auf Onkel Alberts Hof erfinden solle, und verneinte dann tapfer. Da haben sie sie zum Studium zugelassen.

Wir machten dann noch ein paar Witze über Studenten und darüber, daß Christels Arme vielleicht zu kurz wären, um in den Hintern einer Kuh zu passen, und stellten einige Vergleiche über das Verhalten im Menschen- und Tierreich an. Obwohl wir uns einig waren, daß so was nicht statthaft ist und Leute wie Konrad Lorenz und Eibl-Eibesfeld wahrscheinlich einen Knall hatten, wobei Eibl-Eibesfeld auch noch Irenäus mit Vornamen heißt, wofür er aber nicht zur Verantwortung zu ziehen ist.

Aber Prinzipienreiterei ist der Kobold kleiner Geister, wie Emerson sagt (solche Bücher lese ich!), deshalb ließ ich mich anderntags bei der Lektüre der Apotheken-Umschau auch eines Besseren belehren. Da schrieben sie, daß Geparden in der freien Wildbahn sehr schwer zu beobachten seien, weil sie sich überall und nirgends herumtrieben. Ein Trick helfe aber weiter: "Wo sich ein Gepard abends zur Ruhe legt, da trifft man ihn am Morgen wieder." Genau wie bei mir!