Clinton mag's warm

Im Dezember steht im japanischen Kyoto die Zukunft der Erde auf dem Spiel. Wissenschaftler bezeichnen die UN-Klimakonferenz, an der Vertreter aus über 150 Staaten teilnehmen werden, bereits als "letzte Chance". Die Welt wird nämlich bedroht von einem Ungeheuer, dem Ungeheuer von Loch Ozon. Kein Papparazzi hat es bisher vor die Linse gekriegt und doch wissen alle, daß es leibhaftig existiert. Seine Pläne zur Zerstörung des Planeten sind grauenvoll: Bis zum Jahr 2050 will es den Mittleren Osten, Bangladesh, den US-Staat Florida, die Malediven und Europas herrliche Mittelmeerstrände unter Wasser setzen, Eisbären und Eskimos den Nordpol unter dem Arsch wegschmelzen. Die Sahara wird nach Südeuropa vertrieben. Und scheißheiß soll es werden.

Angesichts dessen finden es die meisten Länderchefs irgendwie verantwortungslos von Bill Clinton, daß er dagegen nicht aktiv wird. Nicht bis zur Jahrtausendwende, wie 1992 in Rio de Janeiro beschlossen, sondern erst in den Jahren 2008 bis 2012 will der US-Präsident eine Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes auf die Menge von 1990 erwirken. Die Staaten der Europäischen Union - so verkündeten sie letzte Woche stolz in Bonn - hätten die Emissionen zu diesem Zeitpunkt gerne schon um 15 weitere auf 85 Prozent gesenkt. Clinton ist also, wie die Frankfurter Rundschau schreibt, ein "Klima-Killer" schlechthin.

Das ist natürlich reine Propaganda. Der fiese Bill ist gar nicht wirklich fies, sondern einfach nur wachsam. Wenn die USA mit derzeit einem Viertel der Kohlendioxid-Emissionen der größte Klima-Einheizer weltweit sind und die UN-Vorgaben in Prozenten festgelegt werden, müßten die US-Firmen ihren Verbrauch besonders stark reduzieren. Das mag ökologisch notwendig sein, ökonomisch ist es kontraproduktiv. Beim derzeitigen Stand der Industrietechnik ist Emissionseinschränkung gleichbedeutend mit geringerer Produktion, geringeren Gewinnen und geringerer Macht. Warum sollte Clinton dem freiwillig zustimmen? Warten EU, Japan und sogenannte Schwellenländer doch nur darauf, den US-amerikanischen Konkurrenten vom Platz eins der Weltwirtschaft zu verdrängen. Nicht ohne Grund behaupten US-Wirtschaftsverbände, denen ein scharfsinniger Kommentar in der Frankfurter Rundschau das unverzeihliche Delikt "milliardenschwere PR-Arbeit" nachweist, Klimaschutz schade der nationalen Ökonomie. Die Vorschläge Japans und Europas basieren genauso auf wirtschaftlich-taktischem Kalkül und nicht etwa auf ökologischem Bewußtsein. Umgekehrt macht man genau das Clinton zum Vorwurf.

Schließlich aber setzt der US-Präsident, ganz Ökonom, auf eine Problemlösung durch den Markt: Mit Steuervergünstigungen und Subventionen will er den Unternehmen das Energiesparen schmackhaft machen. Ebenso sieht der Klimaplan Washingtons vor, daß bei Bedarf die Berechtigung zu zusätzlicher Umweltverschmutzung gekauft werden kann. Für die Neue Züricher Zeitung ein verantwortungsloses Herangehen: "Bis Marktmechanismen greifen, können Jahrhunderte vergehen, dann ist es zu spät". Kapitalismus - und nichts anderes verbirgt sich hinter dem Ungeheuer von Loch Ozon - ist halt doch irgendwie blöd, weil er den Mehrwert der Ökologie vorzieht.