Immer Ärger mit den Videos

Deutsche Patrioten gegen »Doitsche Patrioten«

Ärger auf der Bonner Hardthöhe. Wieder haben Bundeswehrangehörige filmisch dokumentiert, was man sonst lieber hinter Kasernentoren verschließt: rechtsextremistische und antisemitische Sprüche, nachgestellte Szenen von Angriffen auf "linke Zecken", Sauforgien und die "Auschwitzlüge". Zur musikalischen Unterhaltung warten die "Doitsche Patrioten" auf. Und der Nazi-Barde Frank Rennicke singt "Ewiges Deutschland - Heiliges Reich". Die richtige Einstimmung zum wichtigen Einsatz. Schließlich gehört das Bataillon 571 aus dem sächsischen Schneeberg zu den deutschen Gebirgsjägern, die als Krisenreaktionskräfte bei friedenserhaltenden UNO-Maßnahmen zur Waffe greifen dürfen. Wie die geplante Völkerverständigung vonstatten gehen soll, erläutert ein Soldat vor laufender Kamera während Häuserkampf-Übungen: "Scheiß-Serben - wir werden euch alle kriegen." Beim Gebirgsjägerbataillon hat man bereits Erfahrung: Schon im Sommer dieses Jahres waren Videos aus der Einheit mit gestellten Hinrichtungen und Vergewaltigungen an die Öffentlichkeit geraten.

Verteidigungsminister Volker Rühe reagiert schnell auf das Bekanntwerden der rund fünf Stunden Bandmaterial, das zwischen 1993 und 1995 erstellt wurde. Als ginge es darum, ein Geschwür zu beseitigen, das dem militärischen Corpus fremd ist, fordert er Konsequenzen: Disziplinarrechtliche Untersuchungen, Strengere Dienstaufsicht, Auskünfte aus dem Erziehungsregister, stärkere Eingangskontrollen - kurz gesagt alles, was einem durchschnittlichen Ordnungspolitiker einfällt, um die von Rechtsradikalismus oder Antisemitismus Befleckten vom demokratischen Heer fernzuhalten. Kaum anders fordern auch die Wehrbeauftragte des Bundestags, Claire Marienfeld, und der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Dieter Heistermann, entsprechende Maßnahmen. Immerhin erkennt der Sozialdemokrat Heistermann: "Wenn über drei Jahre niemandem in der Bundeswehr auffällt, was sich vor Ort abspielt, dann ist etwas faul bei der Bundeswehr."

Selbst das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr (SoWi) gibt sich keinen Illusionen hin. Bereits 1992 stellte das SoWi in einem Gutachten fest, daß es "einen klaren Zusammenhang zwischen Rechtsorientierung und der Affinität von Heranwachsenden zur Bundeswehr gibt". Zahlreichen Offizieren dürfte das nicht unlieb sein. Denn nach einer neuen, im Sommer vorgelegten Studie des hauseigenen Institutes ordnen sich rund 55 Prozent der Offizierstudenten an Bundeswehrhochschulen rechts von der Mitte ein. Mehr als 20 Prozent orientieren sich an national-konservativen Positionen. Demokratische Prinzipien wie beispielsweise das Demonstrationsrecht, so heißt es in der Untersuchung, würden von ihnen weniger deutlich unterstützt. Gegenüber Flüchtlingen und kultureller Vielfalt seien diese angehenden Bundeswehr-Eliten ebenso wenig offen wie gegenüber einer europäischen Integration Deutschlands.

Nun, wo also in der Truppe augenscheinlich "etwas faul ist", um mit Dieter Heistermann zu sprechen, will man die Nachfolge-Armee der deutschen Wehrmacht also vor Rechtsradikalen beschützen, will die Infizierten im Vorfeld aussortieren. Bei den Heeresführungen werden solche Maßnahmen nicht unbedingt auf Zustimmung stoßen. Schließlich weiß man dort am besten, daß sich autoritär strukturierte Institutionen wie die Bundeswehr nur mit Menschen organisieren lassen, die die entsprechende ideologische Bereitschaft gleich mitliefern - Ideologien, denen rechtsradikale, antisemitische und sexistische Ressentiments immanent sind. Den durchschnittlichen rechtsgesinnten Soldaten wird Volker Rühe also wohl kaum vom Militär fernhalten können, ohne die gesamte Institution infragezustellen. Von den Nachwuchsproblemen ganz zu schweigen.