Baggern

Besuch von Dörte! Die habe ich mal im Urlaub im Süden kennengelernt. Da haben wir abends sehr viel Rotwein getrunken und anschließend die hübschen kleinen Gläser mitgenommen. Sie ging dann noch in die Diskothek, während ich mich ins Bett legte. Nachmittags saßen wir gemeinsam in Cafés herum, wo wir Sun-downers zu uns nahmen, auch wenn die Sonne noch kreischend im Zenit stand, und beobachteten die Leute und machten unfeine Bemerkungen oder Beruferaten. Da waren vielleicht Leute unterwegs! - Werbetexter für Schlafanzug-Oberteile und Heimdauerwellen. Eintänzer auf ökumenischen Gottesdiensten. Vertreter von Tierfarmen, die Eichhörnchen an Pornofilmer ausleihen. Wenn man es nicht selbst gesehen hat, dann glaubt man es ja nicht, womit die Leute ihr Geld verdienen!

Jetzt haben wir uns wieder über alles mögliche unterhalten. Zum Beispiel darüber, wie man früher angesprochen wurde und was man dann sagte und wie das heute so ist.

Früher waren die ersten beiden Plätze auf den Bagger-Charts: "Sind Sie öfters hier?" und "Kennen wir uns nicht?" Darauf antwortete man als Frau irgendwas, und dann ging es langsam irgendwie weiter, oder auch nicht, das kennen Sie ja. Meine Schwester, die in Münster studiert hat, konnte noch von einer speziellen Variante berichten: "Sind Sie auch katholisch?" Heute haben die Frauen nicht mehr so viel Zeit, weil Zeit Geld ist und sie Singles sind und alle kleinen Reparaturen persönlich ausführen müssen und sie sowieso einen Beruf haben und Termine und was weiß ich.

Dörte macht die Ansagen jetzt selbst. Was sich ihrer Ansicht nach bewährt hat, ist, jemanden am Pulloverärmel zu packen und zu fragen: "Sachma, das ist doch Kaschmir - womit wäschst du das?" Meistens sagen die dann, daß das gar kein Kaschmir ist und ratzfatz ist man schon im Gespräch. Das geht aber nur im Winter.

Sonnabend waren wir zusammen auf einem Straßenfest im Viertel. So viele Wickelröcke und Räucherstäbchen hat man lange nicht mehr auf einem Haufen gesehen. Es gab auch Live-Musik, da standen Jungs auf einem Lastwagen mit riesigen Boxen und sagten, daß sie sich mal so gedacht hätten, daß sie mal Musik machen wollten, und einer heiße Jens und wohne in der Susannenstraße, und Bernd komme aus der Otzenstraße. Alles sehr persönlich. Die Sehnsucht nach Bullerbü ist auch in langhaarigen Kreisen sehr ungebrochen.

"Können Sie mir sagen, wie spät es ist?" wurde Dörte gefragt. Blitzschnell gab sie zurück: "Ich heiße Dörte." Das nenne ich eine flotte Decodierung.