Die Serie »Franklin« über die diplomatische Mission von Benjamin Franklin

Freundlichkeit, Geselligkeit, Geduld

Benjamin Franklin wirkte nicht nur an der Unab­hängigkeitserklärung mit, sondern machte sich auch als Diplomat einen Namen. Die Miniserie »Franklin« erzählt nun von seiner Zeit in Frankreich, in der er Bündnis­partner für die jungen USA suchte.

Am Beginn der Geschichte, die die achtteilige Miniserie »Franklin« erzählt, steht eine Ankunft, die eigentlich eine Rückkehr ist. Im Dezember 1776 landeten Benjamin Franklin und sein Enkel William Temple nach einer langen Überfahrt an der bretonischen Küste und machten sich auf den Weg nach Paris.

Dort wartete auf den bereits 70jährigen Politiker und weltberühmten Erfinder eine wichtige Mission. Nur wenige Monate zuvor hatten 13 Kolonien auf der anderen Seite des Ozeans in einem Akt des radikalen, revolutionären Neuanfangs ihre Unabhängigkeit von der britischen Kolonialmacht erklärt.

Franklin hatte die Unabhängigkeitserklärung nicht nur als Delegierter von Pennsylvania im Zweiten Kontinentalkongress mitunterzeichnet, sondern sie an einer entscheidenden Stelle auch mitverfasst: Dass die Gleichheit der Menschen und ihre unveräußerlichen Rechte Leben, Freiheit und das Streben nach Glück nicht »heilig und unbestreitbar« (»sacred and undeniable«), sondern in säkularer Diktion »selbstverständlich« (»self-evident«) sind, ist seinem Eingriff in den Rohentwurf zu verdanken.

Zurück in die Vergangenheit: in die Alte Welt

Historisch und politisch war diese Gründungsidee freilich alles andere als selbstverständlich. Die staatliche Unabhängigkeit musste erkämpft, verteidigt und schlussendlich vor allem von Großbritannien anerkannt werden, doch die Kontinentalarmee geriet militärisch ins Hintertreffen.

Aus diesem Grund sah sich der noch junge Kongress gezwungen, Benjamin Franklin gleichsam zurück in die Vergangenheit zu schicken: in die Alte Welt, von der sich Amerika doch gerade gelöst hatte, um bei den Franzosen für finanzielle und militärische Unterstützung im Kampf für Freiheit von britischen Krone zu werben.

Das Engagement sollte schließlich Erfolg haben: Im Februar 1778 unterzeichneten Frankreich und die Vereinigten Staaten einen Bündnisvertrag, der umfangreiche finanzielle Unterstützung beinhaltete. Das Eingreifen der französischen Monarchie gilt als ein entscheidender Faktor für den Ausgang des Unabhängigkeitskriegs.

Nach neun Jahren in Frankreich kehrte Benjamin Franklin im September 1785 nach Philadelphia zurück. Am Ende hatte er einen Großteil seines erwachsenen Lebens außerhalb der USA verbracht.

An den Friedensverhandlungen, die nach der britischen Niederlage 1782 auf französischem Boden stattfanden, war Franklin ebenfalls maßgeblich beteiligt. Ohne Wissen des Kongresses und hinter dem Rücken der Franzosen verhandelte seine Delegation einen separaten Friedensvertrag, der im September 1783 als »Frieden von Paris« unterzeichnet wurde. Nach neun Jahren in Frankreich kehrte Franklin im September 1785 nach Philadelphia zurück. Am Ende hatte er einen Großteil seines erwachsenen Lebens außerhalb der USA verbracht und gilt nicht zu Unrecht als »first American diplomat«.

»Franklin« inszeniert diese neun Jahre in einer durchaus postmodernen Mischung aus Polit-Thriller mit Elementen der Komödie und des Sittenporträts. Damit liegt die Miniserie ebenso im Trend wie mit der Tatsache, dass es sich um eine Buchadaption handelt, in diesem Fall von Stacy Schiffs »A Great Improvisation. Franklin, France, and the Birth of America« (2005), einer sorgfältig recherchierten und mit feinem Gespür für die innere Dramatik der historischen Ereignisse verfasste Biographie, die zum Teil geradezu auf ihre Verfilmung hin geschrieben scheint. Beides sind Tendenzen jüngerer Hollywood-Produktionen: die Verfransung des Genreprofils, um ein größeres Publikum anzusprechen, und die Verwendung bereits bestehender Vorlagen statt riskanter Originalproduktionen.

Die Serie erzählt selbstbewusst eine Reihe von Geschichten

Im Falle von »Franklin« gelingt dies unterhaltsam und spannend, zumal dieser durchaus gewissenhaft nacherzählte Teil der Gründungsgeschichte der USA auf beiden Seiten des ­Atlantiks nur rudimentär bekannt sein dürfte. Aufwendig produziert, ergeht sich die Miniserie ohne Scheu in einer Faszination für die ausladenden Formen, das glitzernde Ornament und die farbintensive Opulenz des Frankreichs am Ende des 18. Jahrhunderts.

Schon der Vorspann aber will vermitteln, dass man es hier – trotz der Orientierung an historischen Fakten – zunächst mit einem Ensemble von tradierten Bildern und Klischees zu tun hat: Im Stile eines Papiertheaters werden Ausschnitte historischer Drucke und Gemälde animiert, arrangiert, übereinandergelegt und ineinandergeschoben. Berühmte Porträts von Franklin und seinen Zeitgenossen tauchen auf und wieder ab, alles erinnert an Kasperletheater und Possenspiel. Weil es fälschlicherweise immer wieder heißt, Franklin habe sich für den Truthahn als Nationalvogel eingesetzt, sieht man Franklin neben einem Truthahn; weil er den Blitzableiter erfand, hält er einen Blitz in der Hand; und weil er als Charmeur und Bonvivant galt, sieht man ihn umgeben von Frauenfiguren. Am Ende verschwinden Franklin und seine ikonische Nerzkappe in einem Hütchenspiel.

Stolzer Großvater. Franklin nahm seinen Enkel William Temple Franklin (Noah Jupe) mit nach Frankreich

Stolzer Großvater. Franklin nahm seinen Enkel William Temple Franklin (Noah Jupe) mit nach Frankreich

Bild:
AppleTV+

Diesem Bilder- und Klischee-Ensemble setzt »Franklin« nicht etwa eine historisch-dokumentarische Wahrheit entgegen, sondern erzählt durch sie hindurch selbstbewusst eine Reihe von Geschichten, die alle in der von Michael Douglas charmant und einnehmend gespielten Hauptfigur zusammenlaufen: ein geopolitisches Ränkespiel aus Diplomaten, Doppelagenten und Spionen, die Anfänge des bis heute von gegenseitiger Abneigung und Faszination geprägten amerikanisch-französischen Verhältnisses, die Geschichte einer Unabhängigkeit, die nicht ohne Bündnispartner erlangt werden konnte, eine anhand von Franklins Enkel William Temple (Noah Jupe) erzählte Bildungs- und Emanzipationsgeschichte und nicht zuletzt eine kleine Geschichte der diplomatischen Stile.

Offenbar möchte die Serie in der Dramatisierung dieser Konstellation einen Resonanzraum für zeitgenös­sische Diskussionen über Unilateralismus, politische Bündnisse und geopolitische Dynamiken eröffnen.

Letztere gewinnt vor allem durch die dramaturgisch überaus belebende Gegenüberstellung von Benjamin Franklin und John Adams Kontur. Adams, herausragend gespielt von Eddie Marsan, wurde 1778 nach Frankreich geschickt, um die diplomatischen Delegation um Franklin zu unterstützen. Anders als Franklin sprach Adams zunächst nur schlecht Französisch und passte mit seinem schroffen, streng pragmatischen Habitus kaum zur höfischen Pariser Kultur und noch weniger zum diffizilen diplomatischen Gewerbe aus Freundlichkeit, Geselligkeit und Geduld, das Franklin bis dahin gepflegt hatte.

Adams hielt Franklin nicht nur für zu lax in seinem Lebenswandel, sondern vor allem für zu freundlich gegenüber den Franzosen. Tatsächlich schien Benjamin Franklin zeitweise durchaus anderes im Sinn zu haben als kompromisslose Interessenpolitik, nämlich ein auf Achtung und Freundschaft gegründetes Verhältnis zu Frankreich, in dem dennoch die Interessen beider Parteien gewahrt werden.

Offenbar möchte die Serie in der Dramatisierung dieser Konstellation einen Resonanzraum für zeitgenös­sische Diskussionen über Unilateralismus, politische Bündnisse und geopolitische Dynamiken eröffnen. Die Auflösung in Form des hinter dem Rücken der Franzosen mit Großbritannien geschlossenen Separatfriedens ist mythisch und realistisch zugleich. Mythisch, weil sich in ihr Franklin und Adams in beiderseitiger Anerkennung eines höheren Ziels versöhnen. Dass sich in der Welt moderner Staaten Freundlichkeit und Bündniswille letztlich am jeweiligen nationalen Eigeninteresse brechen – nicht nur die USA, sondern auch Frankreich verhandelte hinter verschlossenen Türen separat mit den Briten –, ist wiederum ein vielleicht gar nicht so unfreiwillig realistisches Moment.

Die Serie »Franklin« kann bei Apple TV Plus gestreamt werden.