Türkische Schutztruppe

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Während die Mächte der Anti-Irak-Koalition - allen voran die USA - ihr Augenmerk zu Wochenbeginn auf die angedrohte Ausweisung von zehn UN-Waffeninspektoren aus dem Irak richteten, hat der Nachbarstaat Türkei seine Truppenkonzentration im Norden des Landes weitgehend unbeachtet ausgebaut. Nach Erklärungen des stellvertretenden Ministerpräsidenten Bülent Ecevit gegenüber der armeefreundlichen türkischen Tageszeitung Hürriyet haben die türkischen Streitkräfte auf dem Boden des Irak eine dauernde Militär-Präsenz eingerichtet. Mit wiederholten Bombardierungen von Stellungen der türkisch-kurdischen Arbeiterpartei PKK und ihrem irakischen Verbündeten, der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), hat die Türkei damit zum erstenmal seit dem Ende des Zweiten Golfkriegs 1991 aktiv in den inner-kurdischen Konflikt im Nordirak eingegriffen. Ecevit begründete dies mit dem "Recht auf grenzüberschreitende Maßnahmen", bis die Lage dort geklärt und das Machtvakuum ausgefüllt sei.

Mitte 1991 hatte der UN-Sicherheitsrat im Nordirak südlich des 36. Breitengrades eine Sicherheitszone eingerichtet, die aufgeteilt ist zwischen den rivalisierenden Milizen der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) Massut Barzanis und der PUK Dschalal Talabanis. Temporäre Waffenstillstände wurden seitdem immer wieder abgelöst von aufflammenden Kämpfen zwischen den beiden Organisationen. Interventionen seitens des Iran, der Türkei, Syriens und der Truppen des irakischen Präsidenten Saddam Hussein haben zu wechselnden macht-politischen Konstellationen in der autonomen Zone geführt. Experten zufolge gilt Talabani inzwischen als Mann Teherans, während Barzani im vergangenen Sommer ein Bündnis mit Hussein eingegangen ist und heute von der türkischen Armee in ihrem Kampf gegen Stellungen der im Nordirak agierenden PKK unterstützt wird.

Nach dem Einmarsch und Teilabzug türkischer Truppen in die Region im Frühjahr dieses Jahres zeichnet sich nun eine erneute, dauerhafte Besatzung der UN-Schutzzone ab. Bereits Ende Oktober hatten die UN gemeldet, daß als Folge der Frühlings-Offensive rund 10 000 kurdische Zivilisten heimatlos geworden seien. War die Regierung in Ankara in den Jahren zuvor noch darum bemüht, nicht offen Partei zu ergreifen, gab sie diese Rolle nun zugunsten einer Parteinahme für die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) Massut Barzanis auf.

Die türkischen Luft-Angriffe in der von den UN verhängten Flugverbotszone haben darüber hinaus zur Aufkündigung des Waffenstillstands zwischen KDP und PUK geführt.

Auslöser für das direkte Eingreifen der Türkei ist Hürriyet zufolge das Scheitern des vor einem Jahr eingeleiteten "Friedensprozesses von Ankara". Auf Drängen der USA und Großbritanniens hatte er zum Ziel, im Rahmen der US-Politik der doppelten Eindämmung die nordirakischen Kurden dem Einfluß Bagdads und Teherans zu entziehen. Nachdem sich die PUK Talabanis bei einem letzten Treffen mit britischen, US-amerikanischen und türkischen Unterhändlern Mitte Oktober geweigert hatte, ihre strategisch wichtigen Posten in der Gebirgskette Safin aufzugeben, griff die Türkei an.