Deutsche Innenpolitik in Polen

Auch im nächsten Jahr bleibt die Volkstumspolitik von Sparmaßnahmen verschont

Die Bundesrepublik Deutschland läßt sich ihre Nebenaußenpolitik einiges kosten. Das zeigt ein Blick in den Haushaltsentwurf des Finanzministers. So wird das in Flensburg ansässige Europäische Zentrum für Minderheitenfragen (EZM) mit 40 Millionen Mark gesponsert. Einen Großteil dieser Summe soll für die "Entwicklung und Förderung eines europäischen Minderheiten- und Volksgruppenrechts (Ö), das den Erfordernissen der deutschen Minderheiten in Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa entspricht", ausgegeben werden. Im Vergleich zum Vorjahr wurde die Förderung des EZM noch um 10 Millionen Mark aufgestockt. Personell und ideell steht das Zentrum in einer völkischer Tradition, wie Walter von Goldendach, Hans-Rüdiger Minow und Martin Rudig Ende 1996 in ihrem Buch "Von Krieg zu Krieg" ausführlich darlegen. Das EZM hat es sich zur Aufgabe gemacht, "Minderheiten" aufzuspüren oder unter rassistischen und völkischen Geschichtspunkten zu konstruieren und deren völkisches Selbstbestimmungsrecht durchzusetzen. Konsequenz dieser Politik ist die Auflösung sogenannter Vielvölkerstaaten und ein Machtzuwachs für Deutschland gegenüber den übrigbleibenden Klein- und Kleinststaaten. Selbstverständlich ist Deutschland dabei aufgerufen, sich um die deutschstämmigen Minderheiten besonders zu kümmern.

Dieser Aufgabe widmet sich auch der Bund der Vertriebenen (BdV). Er kommt mit 25 Millionen Mark im Haushaltsentwurf etwas schlechter weg als das EZM. Aber seinen Vorfeld- und Nebenorganisationen sind insgesamt weitere 40 Millionen Mark zugedacht. Zusätzlich zu den mindestens 105 Millionen Mark an direkter Förderung werden den Volkstumsverbänden wie in den Vorjahren weitere Mittel aus anderen Haushaltstiteln zufließen. Die Höhe dieser indirekten Förderung läßt sich allerdings erst nach Ablauf des jeweiligen Haushaltsjahres abschätzen.

Die Politik von EZM und BdV bildet eine Ergänzung zu der offiziellen Außenpolitik. Wo die Bundesrepublik sich den Vorwurf der Einmischung in innere Angelegenheiten gefallen lassen müßte, haben es die "privaten" Verbände leichter bei der Unterstützung deutscher Volksgruppen - und bereiten so den Boden für die Ausdehnung deutschen Einflusses vor allem in Osteuropa. Das Zusammenspiel der Politik der Bundesregierung mit den Aktivitäten der Verbände zeigt sich nicht nur in der großzügige Finanzierung, sondern in personellen Verflechtungen. Eine ganze Reihe von Ministerialbeamten des Bundesinnenministeriums (BMI), das für die Geldvergabe zuständig ist, sind in ihrer Freizeit für die Volkstumsverbände tätig. Einige Beispiele: Hartmut Gassner, ehemaliger Ministerialdirektor im BMI, wurde im November 1995 Mitglied des Bundesvorstandes der Landsmannschaft Ostpreußen. Seine Aufgabe als Ministerialdirektor bestand darin, Bundesmittel an die Vertriebenenverbände wie auch den Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) zu vergeben. Walter Priesnitz, der sich selbst als "Oberschlesier mit Leib und Seele" charakterisiert, ist Staatssekretär im BMI und als Bundesvorstandsmitglied der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der Unionsparteien aktiv. Der Parlamentarische Staatssekretär im BMI, Eduard Lintner, ist gleichzeitig Mitglied der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Horst Waffenschmidt, bis vor kurzem auch Staatssekretär im BMI, war von 1990 bis 1993 Verwaltungsratsmitglied des VDA und zeitgleich in seiner Funktion als Staatssekretär für die Gelder verantwortlich, die der VDA bekam.

Nach Angaben der Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach (Bündnis 90 / Die Grüne) schuldet der VDA dem BMI bis heute noch rund 22 Millionen Mark aus den Jahren 1990 bis 1995, die entweder zweckentfremdet wurden oder deren Verbleib nicht nachweisbar ist und deren Bereitstellung zum Teil in die Zeit von Waffenschmidts Doppelfunktion beim BMI und VDA fällt. Das Ministerium von Manfred Kanther läßt sich viel Zeit bei der Prüfung der vom VDA vorgelegten Verwendungsnachweise. Innerhalb der letzten zehn Monaten prüfte man ganze fünf von 253 Nachweisen, insgesamt sind erst 174 geprüft. Wenn das BMI das Tempo der letzten Monate hält, wird es 13 Jahre dauern, bis die Veruntreuung von Bundesmitteln durch den VDA geprüft sein wird. Das Innenministerium erwägt deshalb derzeit auch den Erlaß der Schulden.

Das BMI ist aber auch direkt außenpolitisch aktiv. So hat es von 1990 bis 1997 für die "deutsche Minderheit" in Polen über 175 Millionen Mark zur Verfügung gestellt. Mit dem Geld wurde vor allem die Förderung der deutschen Sprache finanziert. Um den Erfolg dieser deutschen Innenpolitik in Polen zu begutachten und sich "über die Lage der deutschen Volksgruppen vor Ort" (BdV-Organ Deutscher Ostdienst) zu informieren, machte sich Mitte des Jahres eine hochrangige deutsche Delegation auf den Weg nach Warszawa, Gdansk, Olsztyn, St. Petersburg und Kaliningrad. An der Spitze der völkischen Urlauber: Horst Waffenschmidt.