Drache mit Rose im Mund

Bernie Ecclestone will mit der Formel 1 an die Börse und sorgt dafür, daß die Politik seinen Erfolg nicht verhindert

Allen Bernie Ecclestone beweist immer wieder gern, daß er dem Gegner einen Schritt voraus ist. "Haben wir einen Drachen erschlagen, nur damit er von einem anderen Drachen mit einer Rose im Mund ersetzt wird?" fragte Martin Bell im britischen Parlament. Eine rote Rose ist das Emblem von "New" Labour.

Anlaß für diese Attacke von Bell, einem bekannten Journalisten, der bei den britischen Unterhauswahlen im Mai dieses Jahres als unparteiischer Anti-Korruptionsabgeordneter gewählt wurde, waren Veröffentlichungen über die Eine-Million Pfund-Spende an Labour von Bernie Ecclestone, dem mächtigsten Mann der Formel 1. Labour hatte daraufhin bis zum Jahr 2007 die Sportart Formel 1 vom vorgesehenen Tabakwerbeverbot ausgenommen. "Vielleicht hat Tony Blair mit seiner 'Ära der Großzügigkeit' genau so etwas gemeint: Ihr gebt uns das Geld, wir machen eure Politik", schrieb die liberale Tageszeitung The Guardian in einem Leitartikel. Die Zeitung erwähnte jedoch nicht, daß Bob Gavron, der Vorsitzende der Guardian-Mediengruppe, selbst umgerechnet 1,25 Millionen Mark an Labour gespendet hatte. Blair jedenfalls spielte am Sonntag im britischen Fernsehen den reuigen Sünder und gab zu, einen Fehler gemacht zu haben.

Als Bernie Ecclestone im Juli 1996 Tony Blair zum ersten Mal traf, versuchte der Labour-Parteiführer ihn von seinem Masterplan für Großbritannien zu überzeugen. Ecclestone, offensichtlich beeindruckt, spendete vier Monate vor den Unterhauswahlen die erwähnte Summe für Blairs Partei. Früher waren die Konservativen Empfänger seiner Spenden gewesen, diesmal setzte Ecclestone auf Blair und Labour, obwohl das im April 1997 veröffentliche Parteimanifest ausdrücklich ankündigte, Tabakwerbung bei Sportveranstaltungen zu verbieten. Ein finanzieller Verlust für Sportarten wie Autorennen, die von der Tabak-Industrie 250 Millionen Mark im Jahr an Werbeeinnahmen kassieren, drohte.

Am 1. Mai siegte Labour dann über die als korrupt angesehenen Konservativen. Als neuer Premierminister kündigte Blair weitreichende Änderungen an, die "Geld heißt Einfluß"-Mentalität der Konservativen sollte in Großbritannien nicht mehr toleriert werden. Einen Monat später erklärte der neue Sekretär im Gesundheitsministerium, Frank Dobson, erneut, Tabakwerbung bei Sportereignissen verbieten zu wollen. Die neue Regierung sei aber bereit, die betroffenen Sportarten bei der Suche nach neuen Sponsoren zu unterstützen. Hatte Bernie Ecclestone auf das falsche Pferd gewettet?

Am 16. Oktober wurde Max Mosley, FIA-Präsident und Sohn von Sir Oswald Mosley, dem Führer der britischen Faschisten in den dreißiger Jahren, von Tony Blair zu Gesprächen in die Downing Street eingeladen. Am 4. November schickte die Gesundheitsministerin Tessa Jowell einen Brief an die Europäische Union, in der sie darum bat, die Formel 1 vom Tabakwerbungsverbot auszunehmen. Frau Jowells Ehemann ist David Mills, ein erfolgreicher Anwalt und früher Direktor beim Formel 1-Team Benneton.

Wenig später stellte sich heraus, daß auch Mosley regelmäßig an Labour spendete: Er ist Mitglied im sogenannten "One Thousand"-Klub, dessen Mitglieder verpflichtet sind, regelmäßig eine Mindestsumme von 1 000 Pfund, umgerechnet 2 500 Mark, an Labour zu zahlen. Zu ihrer Verteidigung veröffentlichte Labour folgende Erklärung: "Es ist völlig falsch, anzunehmen, daß eine Verbindung zwischen diesen Spenden und Entscheidungen der Regierung besteht."

Das glaubte niemand so recht, einen Tag später erklärte die Regierung, das Geld zurückzugeben. dabei gab es jedoch ein kleines Problem, Labour hatte nach den Wahlen Schulden von umgerechnet 10 Millionen Mark. Die Wahlhelfer in der Parteizentrale, die für den Wahlsieg gearbeitet hatten, sollen jetzt entlassen werden, um die Summe aufzutreiben. Der Vorschlag des linken Labour-Abgeordneten Ken Livingstone, das Geld vom Gehalt der Regierungsmitglieder abzuzweigen, wurde von der Parteiführung schockiert abgelehnt.

Dabei hat nicht nur Bernie Ecclestone Druck auf Tony Blair ausgeübt. Auch Helmut Kohl versuchte vor einem Monat bei einem Treffen mit Blair, im Interesse der mächtigen deutschen Tabak-Industrie, die britische Regierung zu zwingen, das Gesetz über das Verbot der Tabakwerbung zurückzunehmen. Als Druckmittel nutzte er den Wunsch der Briten, einen Sitz in der zukünftigen europäischen Zentralbank zu erhalten, denn dafür brauchen sie die Unterstützung der Bundesregierung.

Mit solch engen Beziehungen zu Regierungen und Industrie kann Ecclestone nur gewinnen. Um den Gewinn noch zu steigern, will er jetzt mit der Formel 1 an die Börse gehen. Der Mediendirektors Christian Purslow von Salomon Brothers, der schon den Börsengang von Pro Sieben organisiert hatte, soll nun auch die Formel 1 an die Börse begleiten. "Wir haben empfohlen, einen strategischen Mindestanlagewert vor den geplanten Börsengang zu setzen. Die einzigen, die eine solche Investition erwägen würden, sind Pay-TV-Unternehmen." Sky BSB aus Großbritannien und Leo Kirch aus Deutschland haben schon Interesse angekündigt. Das britische Rekord-Jahresgehalt von 70 Millionen Mark, das Bernie Ecclestone sich im Jahr 1994 auszahlen ließ, sind im Vergleich zu seinen bevorstehenden Verdienstmöglichkeiten bloß Peanuts.