Krieg gegen die Presse

Peru: Parlamentarische Untersuchungskommission fordert belastende Dokumente über einen Abhörskandal heraus - um ihn zu vertuschen

Im Streit um die Lauschangriffe auf Oppositionelle in Peru hat die Vorsitzende der parlamentarischen Untersuchungskommission, Martha Chavez, nunmehr der Presse den "Krieg" angedroht, falls sie sich nicht fügen und - wie verlangt - die belastenden Dokumente über die Abhöraffäre herausgeben würde. Damit hat der Skandal, der seit Monaten in Peru für Schlagzeilen sorgt, eine neue Dimension erreicht.

Alles hatte damit begonnen, daß der regierungskritische Fernsehkanal Frecuencia Latina Anfang April ein Interview mit Leonora La Rosa ausgestrahlt hatte. La Rosa ist eine Sergeantin des militärischen Geheimdienstes (SIE), die von ihren Kollegen gefoltert wurde, weil sie brisante Informationen der Presse zugespielt hatte. Sie bestätigte, was Oppositionelle schon lange geahnt hatten: Eine Serie von Anschlägen gegen Oppositionelle wie kritische Medienvertreter, die gewagt hatten, die Strategie der Regierung Fujimori gegenüber dem MRTA-Kommando während der Besetzung der japanischen Botschafterresidenz in Lima zu kritisieren, gehe auf das Konto ihres Arbeitgebers. Doch statt daß die Vorwürfe der Ex-Agentin lückenlos aufgeklärt wurden, geriet die Fernsehstation des aus Israel stammenden Unternehmers Baruch Ivcher in den Fokus regimetreuer Kreise. Am 13. Juli deckte der Sender jedoch einen weiteren Skandal auf, in dessen Mittelpunkt erneut der militärische Geheimdienst stand. Frecuencia Latina berichtete zur besten Sendezeit, daß der SIE die Telefongespräche von mehr als einhundert Journalisten, Unternehmern und oppositionellen Parlamentariern abgehört habe.

Kaum war das brisante Material ausgestrahlt, reagierte die Staatsmacht: Ivcher wurde die peruanische Staatsangehörigkeit entzogen und damit das Recht, die Aktienmehrheit an einem peruanischen Medienunternehmen zu besitzen. Begründet wurde das spektakuläre Vorgehen der Behörden mit Unregelmäßigkeiten bei der Einbürgerung Ivchers im Jahre 1984 - eine äußerst fadenscheinige Argumentation, die allerdings den obersten Gerichtshof nicht davon abhielt, der Behördenargumentation zu folgen. Am 15. September wurde die eingegangene Klage abgewiesen, womit der Kanal, der längst in Canal 2 umbenannt worden war, nun den ehemaligen Partner Ivchers, den Brüdern Samuel und Mendel Winter, gehört. Diese trafen sich bereits im Juli mit der militärischen Führung und paßten möglicherweise die inhaltliche Linie des Senders den Wünschen der Generäle an. Diese schreckten auch nicht davor zurück, ihre Macht im Parlament zu demonstrieren. Am 22. Juli, just an dem Tag, an dem die Entscheidung der Regierung, Baruch Istver die Staatsbürgerrechte abzuerkennen, diskutiert werden sollte, statteten 40 hohe Militärs, geführt vom Generalstabschef Nicolas Hermoza Diaz, dem Parlament einen Besuch ab. Die Einladung kam vom Verteidigungsminister und hatte den Zweck, die Opposition einzuschüchtern, wie ein Kolumnist der Tageszeitung La Repœblica bemerkte.

Doch damit nicht genug. Trotz internationaler Proteste, beispielsweise von der Interamerikanischen Pressevereinigung (SIP), die die Regierung Fujimori auf ihrer Jahrestagung Ende Oktober scharf verurteilte, geht es nun den kritischen Printmedien an den Kragen. Sie sollen dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß sämtliche die Abhöraffäre betreffenden Dokumente aushändigen, andernfalls hätten sie mit Durchsuchungen zu rechnen, warnte dessen Vorsitzende Martha Chavez. Die Parlamentarierin, die den Streitkräften nahe steht, wolle allerdings keine Aufklärung der Affäre, sondern auch noch die letzten Beweise gegen den militärischen Geheimdienst verschwinden lassen - so der oppositionelle Parlamentarier Javier Diez Canseco. In Peru gehe es um die Pressefreiheit, und das Vorgehen von Chavez sei nichts weiter als ein erneuter Versuch, die letzten kritischen Medien im Lande einzuschüchtern.

Doch anders als in der Vergangenheit regt sich mittlerweile beträchtlicher Widerstand gegen die Vorgehensweise von Regierung und Militär. In den letzten Monaten hat es mehrere große Demonstrationen für die Pressefreiheit gegeben, obgleich in großen Teilen der Hauptstadt immer noch der Ausnahmezustand gilt und die Versammlungsfreiheit beschnitten ist.

Für einen Paukenschlag sorgte auch der Rücktritt des Außenministers Francisco Tudela im Juli. Wie er nach monatelangem Schweigen Ende Oktober offenbarte, hat er das Handtuch geworfen, weil er als Kabinettsmitglied die Verantwortung für die Aberkennung der Staatsbürgerschaft Ivchers nicht habe mittragen wollen. Doch was viele Journalisten nun erwartet hatten - die Abrechnung Tudelas mit der autoritären peruanischen Regierung - blieb aus. Nicht um der Pressefreiheit willen habe er sein Amt zur Verfügung gestellt, sondern weil die elementaren Besitzrechte Ivchers verletzt worden seien - ein schwerwiegendes Vergehen in einer auf dem Privateigentum an Produktionsmitteln basierenden Wirtschaft.

Damit hatten die verbreiteten Spekulationen, Tudela werde im Jahre 2000 bei den Präsidentschaftswahlen gegen Fujimori kandidieren, einen Dämpfer erhalten. Denn die Hoffnung auf eine - zumindest personelle - Alternative zu Fujimori pulverisierte der parteilose Tudela. Zwar habe auch ihm die fehlende Selbstkontrolle in den Reihen der Regierung in letzter Zeit zu denken gegeben, auch könne er das breite Unbehagen vieler Peruaner gegenüber Fujimori nachvollziehen. Allerdings stehe er als Alternative definitiv nicht zur Verfügung. Demzufolge wird in Peru wohl alles beim alten bleiben, denn auch der derzeit aussichtsreichste Kandidat für die Präsidentschaftswahlen, Alberto Andrade, Bürgermeister von Lima, konnte sich nicht dazu durchringen, ernsthaft Position gegen den peruanischen Autoritarismus zu beziehen.

Ihren Unmut tat die Bevölkerung derweil auf anderem Wege kund: Bei der Eröffnung der Bolivarischen Spiele, einer internationalen Sportveranstaltung im Stadion von Arequipa, nutzten viele die Gelegenheit, um den Präsidenten auszubuhen und durch Pfiffe und Rufe am Sprechen zu hindern - ein Novum in den letzten sieben Jahren der Fujimori-Präsidentschaft. Fujimoris Popularität ist auf den absoluten Tiefpunkt gesunken. Neuesten Umfragen zufolge mißbilligen zwei von drei Peruanern seine Amtsführung.