Hoovers Staubsauger

Vor 50 Jahren beschloß Hollywood die Einführung der "Schwarzen Liste"

Die Belagerung begann am 20. Oktober 1947 und endete nach 36 Tagen plötzlich - Hollywood hatte die weiße Fahne gehißt: Am 26. November 1947 war der bereits 1938 gebildete Untersuchungsausschuß mit dem Namen House Committee on Un-American Activities (HUAC) am Ziel. Mit der "Erklärung von Waldorf" bekundeten die einflußreichsten Produzenten Hollywoods ihr Einverständnis zur Praxis der Schwarzen Liste: Mitarbeiter, die verdächtigt wurden, mit dem Kommunismus zu sympathisieren, erhielten Berufsverbot.

Ein solches Einverständnis zum antikommunistischen Kehraus war im Vorfeld alles andere als sicher gewesen. Mit der Ankündigung des Sprechers der Produzenten, Eric Johnston, sich niemals auf eine so "unamerikanische Sache" wie Schwarze Listen für Kommunisten einzulassen, formierte sich unter der Führung liberaler Prominenter wie Humphrey Bogart, John Ford, Billy Wilder, Lauren Bacall oder Gregory Peck ein Komitee für das verfassungsmäßige Recht auf Meinungsfreiheit; ein Grundrecht, das im übrigen nie durch ein Verbot der Mitgliedschaft in einer Kommunistischen Partei eingeschränkt wurde. Die Praxis sah dann allerdings anders aus.

Entgegen der Ankündigung des HUAC, daß die Verhöre in Hollywood mit der Vorladung Eric Johnstons beginnen würden, dessen liberale Position die folgenden Zeugen in ihrem Widerstand gegen die "Schwarze Liste" nur bestärkt hätte, wurde der bekennende Kommunist John Howard Lawson befragt. Ein Schachzug, um die linksliberale Fraktion, die lediglich die Meinungsfreiheit verteidigen wollte, als Anhänger des Kommunismus erscheinen zu lassen. Die Argumentationsbasis, auf der sich der Protest der Liberalen bewegte, wurde brüchig, und die ersten, die absprangen, waren die Bosse der Filmstudios: David O. Selznick zog sich zurück, Jack Warner nannte Namen angeblicher Kommunisten, Louis B. Mayer forderte präzise gesetzliche Vorschriften, wie der Arbeitgeber mit kommunistischen Mitarbeitern zukünftig verfahren solle.

Die Reaktionen der Filmstudios bestätigten, was Adorno und Horkheimer 1944 geschrieben hatten: Die Filmindustrie "müsse sich sputen, es den wahren Machthabern rechtzumachen, damit ihre Sphäre in der Massengesellschaft, deren spezifischer Warentypus ohnehin noch zuviel mit gemütlichem Liberalismus und jüdischen Intellektuellen zu tun hat, nicht einer Folge von Säuberungsaktionen unterworfen wird". Das HUAC erreichte, daß die Aktion "Schwarze Liste" durch die Produzenten unterstützt wurde, und erhielt von den sogenannten friendly witnesses reichlich Namen, um sie zu füllen.

Das Vorgehen des HUAC deutet darauf hin, daß es nicht allein um die Aufdeckung einer vorgeblichen kommunistischen Verschwörung ging, sondern auch darum die radikale Linke von den einflußreichen Liberalen abzuspalten, d.h. jene Volksfrontkoalition zu brechen, auf deren Grundlage die Politik des New Deal möglich wurde. Die Spitzel des FBI-Chefs und fanatischen Kommunistenjägers J. Edgar Hoover hatten schon seit den dreißiger Jahren die linken Organisationen unterwandert; das HUAC war von Anfang an mit den einschlägigen Namen vertraut. Bekannt war auch, daß von einer Verschwörung der kommunistischen Linken zur Unterwanderung der für die nationale Konsensfindung zuständigen Industrie kaum die Rede sein konnte. Der Einfluß der Kommunisten während der Amtsperiode Roosevelts auf die New Deal-Koalition ähnelte einem diskursformenden Vorschlagsrecht, eine Führungsrolle kam ihnen indes nicht zu.

In Hollywood beschränkte sich die einflußlose Kommunistische Partei realistischerweise auf Gewerkschaftsarbeit. Die Mitglieder der einzigen kommunistisch dominierten Gewerkschaft, der Screen Writers Guild, unterschieden klar zwischen ihren linken Positionen und der professionellen Tagesarbeit. Die Antikommunisten ließen sich von solchen Differenzierungen nicht beeindrucken: Seit 1939 versuchte das HUAC, alles Unamerikanische, also Linke, zu verfolgen.

Anfangs jedoch erhielten die Kommunistenjägern keine Unterstützung seitens der politischen Eliten.

Dem Nachfolger des 1945 gestorbenen demokratischen Präsidenten Roosevelt, Harry S. Truman, waren die Antikommunisten zunächst gar nicht geheuer: "Don't join the bookburners", warnte er und bezeichnete die Hysterie gegen die Linken als bloßes "Affentheater". Sehr schnell aber sollte Truman seine Meinung ändern. Als in den Jahren nach 1945 die Festlegung neuer außenpolitischer Strategien notwendig wurde, entschied Truman sich gegen Roosevelts Konzept der friedlichen Koexistenz mit der Sowjetunion. Die Chance, das nach dem Zweiten Weltkrieg geschwächte Britische Empire zu beerben, war greifbar, und Truman gedachte, sie zu nutzen. Dies aber bedurfte für die Mehrheit der Amerikaner, die man während des Krieges erfolgreich für eine Koalition mit der Sowjetunion begeistert hatte, einer Begründung. Seine Idee, die ökonomischen Gründe seiner neuen Politik offenzulegen, verwarf Truman, nachdem seine Berater Einwände geltend gemacht hatten. Er verkündete statt dessen seine berühmt gewordenen Truman-Doktrin. Sie zielte darauf ab, den Kongreß für die ehrgeizigen Pläne zu begeistern , denn bis dahin sah er sich einer zusammengewürfelten Koalition von Republikanern und alten New Deal-Linken um den ehemaligen Vizepräsidenten Henry Wallace gegenüber: die einen waren zwar Antikommunisten by nature, fürchteten aber, daß amerikanische Finanzhilfe im zerstörten Europa folgenlos versickern könnte, während die Wallace-Anhänger für die Strategie der peaceful coexistence mit der Sowjetunion waren.

Truman vertraute in dieser Situation auf die Wirkung des Bedrohungsszenarios einer unmittelbar bevorstehenden, weltweiten Vormacht kremlhöriger fünfter Kolonnen. Mit der Verhindung seiner Doktrin vom 12. März 1947 sicherte sich Truman dann nicht nur einen Platz in den Geschichtsbüchern, er brachte vor allem den jubelnden Kongreß auf seine Seite: Der Kongreß bewilligte die geforderten Gelder, die dann der Rettung der rechtsgerichteten Diktatur in Griechenland dienten.

Gegenüber den notorischen Antikommunisten im Inland war damit die Truman-Administration unter Zugzwang. Noch im selben Monat ordnete die Regierung sogenannte loyality tests an: Rund zwei Millionen Angestellte in öffentlichen Diensten mußten beweisen, "that they liked capitalism and always had", wie der u.a. für die Lizensierung der Frankfurter Rundschau verantwortliche linksliberale Presseoffizier Cedric Belfrage notierte. Die Strategie der Antikommunisten ging auf: Ab Mai 1947 kontrollierte das HUAC die Einstellungen führender Produzenten wie Johnston, ab Juli begann es mit systematischen Untersuchungen. Wenngleich aus der bloßen Begründungsnot Trumans entstanden, erwies sich das Handeln des HUAC als wegweisend für den neuen innen- und außenpolitischen Kurs der USA und schuf die Basis für den McCarthyismus der Jahre 1950 bis 1954. Die politischen Auswirkungen der Verhöre von 1947 und des McCarthyismus reichten bis in die sechziger Jahre, die Zeit des Aufbegehrens. Das Jahr 1968 markierte gleichzeitig einen der größten Erfolge des HUAC, denn in diesem Jahr wählten die Amerikaner einen der forschesten Ermittler des House Committee on Un-American Activities zu ihrem Präsidenten: Richard Nixon.