Ein Alibi für Samper

Nach zahlreichen Massakern hat Kolumbiens Regierung eine Elitetruppe gegen die rechten Todesschwadronen installiert. Die erfreuen sich bester Kontakte bis in den Generalstab hinein

Nach langem Zögern hat Kolumbiens Regierung auf die anhaltende Serie von Massakern an Bauern, Gewerkschaftlern und sogenannten Sympathisanten der linken Guerilla mit der Aufstellung einer Eliteeinheit reagiert, die den rechtsgerichteten Todesschwadronen zu Leibe rücken soll. Präsident Ernesto Samper erklärte am vergangenen Montag in Bogot‡, vorläufiges Ziel der aus Elitesoldaten und Spezialisten der Polizei zusammengesetzte Brigade sei es, die Anführer der Paramilitärs dingfest zu machen. Hierbei setze der kolumbianische Staat auch auf die Mitarbeit der Bevölkerung: Belohnungen in Millionenhöhe sollen denjenigen winken, deren Hinweise zur Festnahme der Gesuchten führen.

Doch mit diesem Schritt, zu dem sich die Verantwortlichen um Samper angesichts der zahlreichen Massaker der letzten Wochen durchringen konnten, ist es nach Ansicht des kolumbianischen Komitees der Gewaltopfer nicht getan. Das Komitee und weitere Menschenrechtsorganisationen haben bei der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) offiziell Beschwerde gegen die Regierung Samper eingereicht. Diese trage Mitschuld an den jüngsten Massakern, denen allein am vergangenen Wochenende in Medellin und Pitalito 15 Menschen zum Opfer fielen. Weitere 30 Tote, die auf das Konto der rechtsgerichteten Todesschwadronen von C-rdoba und Urab‡ gehen, waren allein in der letzten Novemberwoche zu verzeichnen. Für den Sprecher des Komitees sind die laxen Gesetze, die den Aktionen dieser Gruppen Vorschub leisten würden, sowie die Gerichte für den Anstieg des Terrors gegen die Bevölkerung verantwortlich. Bei den wenigen Prozessen konnten die Mitglieder der paramilitärischen Verbände bisher immer mit einem Freispruch rechnen, was sicherlich ein Grund für die Ausweitung ihres Aktionsradius sei.

In der Tat haben die Aktionen der Milizen, von denen die meisten in den siebziger Jahren von Großgrundbesitzern zum Schutz gegen Angriffe der linksgerichteten Guerilla gegründet wurden und offiziell seit dem Ende der achtziger Jahre verboten sind, in den letzten Jahren stark zugenommen. Von den Sicherheitskräften, insbesondere dem Militär, wird diese Renaissance wohlwollend gefördert, wie Human Rights Watch in einem Bericht vom November letzten Jahres anhand zahlreicher Fälle belegen konnte. Die Verbindungen zwischen Armee und den Milizen reichen dem Bericht zufolge bis in die höchsten Ränge des Generalstabs, wo General Harold Bedoya Pizzaro residiert, der als Vater der rund 140 Milizen gilt. Laut Human Rights Watch können die paramilitärischen Verbände durchaus als willkommenes Werkzeug der Armee im Kampf gegen die erstarkende linksgerichtete Guerilla des Landes bezeichnet werden, das sowohl zur Einschüchterung der Opposition als auch zur Liquidierung von mutmaßlichen Guerilla-Kollaborateuren eingesetzt werde.

Die nördlichen Provinzen C-rdoba und Urab‡ befinden sich bereits unter der Kontrolle der größten und bekanntesten Gruppe, der Autodefensas campensinas de C-rdoba und Urab‡ (ACCU), die auch den Zusammenschluß der Milizen in einer Dachorganisation, der sogenannten Nationalen Bewegung der Selbstverteidigung initiierte. Die ACCU wird von Carlos Castano Gil befehligt, der auch zum Chef der Dachorganisation der Paramilitärs ernannt wurde und über gute Kontakte zu Verantwortlichen in der Armee, wie General Rito Alejo del R'o, dem Kommandanten der für die Provinz Urab‡ zuständigen 17. Heeresbrigade, verfügt.

Wegen dieser Hintergründe bleibt abzuwarten, ob die aus der Taufe gehobene Brigade ihren Aufgaben mit dem notwendigen Eifer nachkommt und ob sie auf die notwendige Unterstützung der 17. Heeresbrigade wird zählen können. Gefragt ist allerdings auch das Justizministerium, welches bisher bei der Verfolgung von Straftaten der Milizen Engagement vermissen ließ und sich bisher nicht einmal zu einer Presse-Erklärung hat hinreißen lassen. Dieser Sachverhalt nährte Spekulationen, daß die Regierung allein wegen der anhaltenden Kritik internationaler Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international oder Human Rights Watch reagierte und die Brigade quasi als Alibi aus der Taufe hob.