Schweizer Konten

Auch in der zweiten Liste "nachrichtenloser Konten" finden sich zahlreiche Nazis

Nix dazu gelernt: Die zweite, Ende Oktober von der Schweizerischen Bankiervereinigung veröffentlichte Liste von Inhabern sogenannter nachrichtenloser Konten enthält die Namen von 52 Nazi-Kriegsverbrechern. Dies ergaben Recherchen des Simon-Wiesenthal-Centers in New York Mitte vergangener Woche.

Unter den Verdächtigen seien Gestapo-Mitglieder, SS-Offiziere, die in den Konzentrationslagern Auschwitz und Struthof-Natzweiler gedient hätten sowie ein Gauleiter und ein Unterscharführer aus dem Konzentrationslager Maidanek. Namen wurden vorerst nicht genannt. Rabbi Marvin Hier, Dekan des Simon-Wiesenthal-Centers in New York, forderte die Schweizer Regierung auf, die genannten Konten umgehend einzufrieren.

Schon nach der Veröffentlichung der ersten Liste im Juli dieses Jahres hatten die Simon-Wiesenthal-Zentren in Jerusalem, Wien und Los Angeles auf Namen und Pseudonyme von Nazis aufmerksam gemacht. Auch damals befanden sich zahlreiche Nazis aus Deutschland, Kroatien, Spanien und der Slowakei auf der Liste "nachrichtenloser Vermögenswerte von Opfern des Naziregimes". Darunter viele SS-Funktionäre, die in mittleren und leitenden Funktionen in Konzentrationslagern tätig waren.

Nur etwa 20 Prozent der auf der Liste angegebenen Kontoinhaber seien Juden, vermutete seinerzeit Ephraim Zuroff, Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem. Diese Aussage ist bislang nicht widerlegt worden. Zwischen Opfern und Tätern fanden sich damals Männerchöre, Vereine und diverse Einzelpersonen, so daß die israelische Tageszeitung Yedioth Acharnot bereits im Juli kommentierte: "Man macht sich über uns lustig."

Auch auf der Oktober-Veröffentlichung stehen Täter, Opfer und Unbeteiligte - so es diese überhaupt geben kann - nebeneinander. Daß die Simon-Wiesenthal-Zentren der Schweizer Regierung im August eine Liste mit 334 Nazi-Kriegsverbrechern hatte zukommen lassen, verbunden mit der Aufforderung diesbezüglich nach Vermögenswerten zu forschen, scheint nichts genützt zu haben.

Rabbi Marvin Hier verband die erneute Aufdeckung von Nazi-Konten mit der Forderung an die Londoner Konferenz, sich auch mit dem Tätervermögen zu beschäftigen. Ein Mechanismus müsse geschaffen werden, mit dem weltweit unter dem Einsatz von Polizei- und Justizbehörden nach den Vermögenswerten von Nazis geforscht werden könne. Doch in London stieß er mit diesem Vorschlag auf taube Ohren.

Ohne auch nur mit einem Wort auf die Nazi-Konten einzugehen, teilte die Schweizerische Bankiervereinigung am Freitag vergangener Woche mit, daß erstmals Guthaben aus "nachrichtenlosen Bankkonten" ausgezahlt worden seien. An wen und in welcher Höhe, wurde - "aus Gründen der Diskretion" - nicht angegeben. Immerhin sei auch Geld an Holocaust-Opfer und ihre Nachkommen überwiesen worden, ließ ein Sprecher der Vereinigung durchblicken. Zudem hätten etwa 6 000 Personen mittlerweile Ansprüche auf Konten angemeldet, die vor dem 9. Mai 1945 eröffnet wurden. Wieviele davon Nazis sind oder waren, blieb bislang offen.